Die Juden von Zirndorf
beseelten, all dies machte Nieberding zum Spielball einer aufregenden Vision. Und dann kam er Tag für Tag, blieb oft eine Nacht und einmal sogar zwei Nächte hindurch in dem düstern Bau, wo er in einem riesengroßen, halbvermoderten Patrizierzimmer übernachtete. Und nach zehn Tagen kam er und brachte Baldewin Estrich fünftausend Mark zum Ankauf eines elektrischen Apparats. Mit feierlichem Schweigen nahm der Greis das Geld, dann bat er den jungen Mann, ihn allein zu lassen.
Baldewin Estrich saß wie im Fieber vor seinem Versuchstisch, die fünf braunen Banknoten neben der Hand. Er konnte die ersehnten Apparate anschaffen und die Mischung, die jetzt im Tongefäß vor ihm stand, mußte ihm zeigen, ob sein Leben ein phantastisches Irrwandeln oder ein Schicksalspfad war. Sein Arm zitterte, als er die Hand vor die Augen legte; gleich Feuerkugeln perlte es hin vor den verfinsterten Blicken. Tiefes Schweigen herrschte in dem verödeten Haus. Die Galerien des Hofes versanken in die Dämmerung und eine blitzende Scheibe sah bisweilen aus dem Grund der Wandelgänge. Ein Kater, Estrichs einziger Gefährte während der langen, schweigenden Nächte, saß schnurrend an der heißen Glut des Kamins.
Plötzlich schreckte der Alte auf, machte Licht, – eine hektische Röte war auf seine Wangen getreten, – nahm das Tongefäß, betrachtete die weiß-schillernde Mischung, entzündete ein Drumondsches Kalklicht, hielt den Topf darüber und schüttete eine Säure in die kochende Masse, bis übelriechender Qualm den Raum erfüllte und den Chemiker in einer Wolke verhüllte. Dann nahm er eine pulverisierte Masse von violetter Färbung und schüttete eine Messerspitze voll in das Gefäß, das er hermetisch verschloß. Hierauf verlöschte er die Flamme, stellte den Topf ins Wasser, um ihn einem plötzlichen Erkaltungsprozeß auszusetzen und schritt unruhig, mit zusammengepreßten Lippen auf und ab. Als er nach einer Viertelstunde das Gefäß zertrümmerte und den erstarrten Inhalt prüfte, fand er ihn unverändert, außer daß die Farbe statt des reinen Weiß in bräunliches Gelb spielte. Mutlos ließ er die Arme sinken. Schließlich ist die ungeheure Hitze, die ich durch den elektrischen Apparat erzeugen will, gar nicht nötig, dachte er. Aber auch so sah er kein Ziel mehr. All die Säuren und Vasen, Metalle und Metalloide nahmen für ihn das Wesen von persönlichen Feinden an, mit einer ausdauernden Bösartigkeit begabt. Er zündete die Lampe an und sah in ihrem Schein das Zimmer noch erfüllt von dem unerträglichen Dunst. Er nahm ein Fläschchen vom Sims, das eine blauschwarze Flüssigkeit enthielt, die beim Licht herrliche Reflexe warf. Er öffnete das Glas, ging zum offenen Kohlenfeuer (immer noch hielt er fast krampfhaft das erkaltete Metall in der Hand) und wollte einige Tropfen auf die hochrot glühenden Kohlen gießen, um den schlechten Geruch zu vertreiben, als die Masse samt dem Glas seiner bebenden Hand entsank; auf den Kohlen zersprang das Glas und erschrocken bebte Estrich zurück, ging ans Fenster, öffnete es, und die milde Luft des Februarabends floß herein und streifte seine heiße Stirn. In tiefen Gedanken saß er am Fenster, fast zwei Stunden lang. Dann stand er schwerfällig und leise stöhnend auf um die Lampe zu füllen, die heruntergebrannt war. Seine Blick hefteten sich auf die halbverglommenen Kohlen im Kamin und unter den schwarzgewordenen oder noch düsterroten Stücken erblickte er einen großen, schwach glänzenden Gegenstand. Und je mehr er hinschaute, je mehr nahm der Glanz dieses Gegenstands zu. Seiner Wahrnehmung mißtrauisch gesinnt, hörte er nicht auf, starr in den Kamin zu blicken, bis ihn plötzliche Ungeduld und Erwartung näher treten ließen. Er zündete eine Kerze an, holte das gleißende Stück mit dem Feuerhaken heraus, nahm es in die Hand, schrie laut und durchdringend auf, so daß es in allen Teilen des Hauses widerhallte und sank vor Schwäche auf die Knie ...
Gold!
Er hielt Gold in den Händen.
Es konnte ihn nicht täuschen in Form und Farbe. Er wog es in der Hand, und es war schwer. Er hielt es zitternd, mit überquellenden Augen zum Licht und sein Glanz schien den ganzen Raum zu füllen.
Gold!
Die Sehnsucht des Mittelalters war gestillt. Der Traum des modernen Forschers in Erfüllung gegangen durch die Hand eines Blinden, der nun auf dem Thron der Welt saß und die Menschheit seinen Knecht nannte. Der jeglichen Hunger enden, jeden Durst befriedigen konnte; für den es nichts
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