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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Werken des großen Mose Ben Maimon, der jetzt in Kairo blühte. Der Domherr aber stellte ihm ebenso gelassen Argumente aus dem Augustin entgegen oder aus dem Abaelard. Raquel sprach selten und stellte selten Fragen. Doch hörte sie hingegeben zu und prägte sich Benjamíns Sätze gut ein. Sie und Benjamín kamen einander wieder sehr nahe.
    Benjamín verhehlte sich nicht, daß er sie liebte. Aber er ließ davon nichts merken, er gab sich als Freund. Sie fühlten sich, Raquel und er, jung vor den älteren Männern, sie waren gute Kameraden.
    Musa, als er einmal mit Rodrigue allein war, fragte ihn, warum eigentlich er Raquel in ihrem Glauben unsicher machen wolle; auch der von Rodrigue verehrte Abaelard lehre doch, man müsse dem fremden Glauben Duldsamkeit entgegenbringen, solange er den Geboten der natürlichen Vernunft und Sittlichkeit nicht zuwiderlaufe. »Bringe ich dir nicht genug Duldsamkeit entgegen, mein verehrter Musa?« fragte der Domherr. »Ich kann dir nicht sagen, welch tiefe Freude es mir wäre, wenn eine mens regalis wie die deine, ein so königlicher Geist, gekrönt würde durch die Gnade. Aber ich bin nicht so überheblich, anzunehmen, daß es mir vergönnt sein sollte, dich zu erleuchten. Es ist mir nicht gegeben, zu eifern, und es liegt mir nicht, den andern zu bestürmen; du weißt es. Wenn ich indes in das sanfte, bildsame, unschuldige Gesicht unserer Raquel blicke, dann spüre ich den Auftrag, um ihre Seele zu kämpfen. Da ich die gute Botschaft weiß, wäre ich ein Sünder, wenn ich sie verschwiege.«
    Den König machte es ungeduldig, daß seine und Rodrigues Bemühungen um die Seele Raquels eitel blieben.
    Er stand mit Raquel vor einem ihrer hebräischen Spruchbänder. Es war Wochen her, daß sie ihm die Sätze vorgelesenund übertragen hatte, aber sein gutes Gedächtnis hatte sie aufbewahrt, daß er sie ihr fast Wort um Wort wiederholen konnte: »Ich bereite deine Straße aus Edelsteinen und deine Häuser aus Kristall. Keiner Waffe, die wider dich gerichtet ist, soll es gelingen, und alle Zunge, so sich wider dich setzet, soll verdammt sein.« Spöttische Verwunderung war in seiner Stimme, die schmalen Lippen hatte er zu einem bösen Lächeln verzogen. »Ich begreife nicht recht«, sagte er, »warum du gerade diesen Spruch hierhergesetzt hast. Willst auch du dich künstlich blind machen? Wo sind sie, eure Straßen aus Edelsteinen? Jetzt seid ihr elend und ohnmächtig schon länger als tausend Jahre und lebt von unserm Mitleid. Wie lange noch wollt ihr eure traurige Nacktheit mit solchen bunten, leer gewordenen Verheißungen aufputzen? Es ist mir leid, daß auch du so verstockt bist.«
    Es war das erstemal, daß er so plump auf sie einschalt. Ach, sie hätte auf das falsche und bösartige Gerede gut erwidern können; aber sie wollte keinen Streit. Sie sagte ruhig: »Euer großer Doktor Abaelardus lehrt, es stehe dem Christen an, Duldung zu üben gegen jede vernünftige Religion.« – »Die eure ist aber nicht vernünftig«, schmetterte feindselig der König, »das ist es doch eben.«
    Es tat Raquel weh, daß dieser liebste Mensch das Beste, was sie hatte, beschimpfte. Sie hörte im Geist, wie Benjamín den jüdischen Glauben gerade mit Beweisen seiner Vernünftigkeit verteidigte. Aber wenn der kluge, beredte Benjamín den milden Rodrigue nicht hatte überzeugen können, wie sollte sie es vermögen, dem gewalttätigen Alfonso die rechte Deutung des Großen Buches klarzumachen? Und noch dazu in seinem traurigen Latein. Sie schaute ihm ins Gesicht, nachdenklich, mit den großen, blaugrauen Augen. Ja, wahrhaftig, er glaubte , was er da den andern nachredete. Da hatten diese Christen tausend mal tausend Ritter und Knechte hingeschickt in das Heilige Land und hatten es nicht gewinnen können. Und begriffen immer noch nicht, daß das Land ihnen eben nicht bestimmt war. Und da stand auch er, ihr Alfonso,und verhöhnte die Heilsversprechungen derjenigen, denen das Land gehörte. Und sie schaute ihn an, und plötzlich mußte sie lachen über die Blindheit der Menschen, und insbesondere ihres Alfonso.
    Hatte schon ihr Schweigen und Schauen ihn aufgebracht, so erregte ihr Lachen seinen vollen Zorn. Unter der gefurchten Stirn leuchteten gefährlich hell seine Augen. »Lache nicht!« herrschte er sie an. »Schweig! Lästere nicht unsern Heiligen Krieg, du Ungläubige!«
    Stumm verließ sie das Zimmer.
    Zwei Stunden später suchte er sie überall, im Haus und im Garten, und auch sie suchte ihn. Als sie sich

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