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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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fanden, lächelte er verlegen wie ein Junge, auch sie lächelte, sie küßten sich.
    Und aus dem Kuß heraus sagte sie: »›Wofern ihr einem grollet, ihr sollet nicht meiden seine Nähe. Aufsuchet ihn und grüßet ihn und sprechet aus euch sänftiglich und ohne scharfer Rede Dorn in jeglichem, was euch an ihm verdrießet. Das ist erneuter Liebe Born. Der Beßre sein wird der von euch, der als der Erste kommt und grüßt.‹ So heißt es im Koran. Wir sind beide gekommen. Keiner ist der Bessere.«
    Jehuda hatte seit Monaten erlebt, wie sein Sohn in die Gemeinschaft der andern abglitt. Aber als sich Alazar wirklich taufen ließ, packte ihn Schreck wie über ein Unerwartetes.
    Jetzt erst übersah er das volle Maß seiner Schuld. Er hatte Alazar nicht genug geliebt, er hatte ihn nicht so geliebt wie Raquel. Alazar hatte seine ganze Kindheit als Moslem unter Moslems verlebt, und er selber hatte ihn, noch ehe er recht verstand, was Judentum war, an den lockenden Hof des Christenkönigs geschickt. Jetzt war sein Sohn zum Verräter geworden, er hatte seine Auserwähltheit verkauft um das Linsengericht der Ritterschaft, er war verloren und hin, ausgetilgt für immer, ausgestrichen aus dem Buche derer, die auferstehen werden beim Jüngsten Gericht.
    Jehuda trauerte um ihn als um einen Toten. Sieben Tage hockte er auf der Erde zerrissenen Kleides.
    Don Ephraim Bar Abba kam, ihn zu trösten. Dem Párnas graute vor Don Jehuda und seinem maßlosen Schicksal. Keine schrecklichere Heimsuchung hätte ihn treffen können als der Abfall des einzigen Sohnes. Die Abtrünnigen waren von jeher zu den grausamsten Feinden der Juden geworden, und nun war dieser junge Sohn des Jehuda ein solcher Abtrünniger. Aber die Pflicht gebot, den Trauernden zu trösten. Don Ephraim hatte Widerwillen und Schauder überwunden, er war gekommen, er neigte sich hinunter zu Don Jehuda und sprach die Formel: »Gelobt seist du, Adonai Unser Gott, gerechter Richter«, und er sandte die zehn besten Männer der Aljama, daß sie die vorgeschriebenen Gebete sprachen.
    Nicht nur die Trauer um den Sohn, es drückte Jehuda auch jenes vermessene Gelübde, daß er den fränkischen Flüchtlingen die Grenzen Kastiliens öffnen werde. Die Frist, die er sich bei Strafe des Großen Bannes gesetzt hatte, lief ab. Und er kam nicht mehr an den König heran. Der wird, nun er ihm die beiden Kinder gestohlen hat, das Mädchen erst und jetzt den Sohn, seine Gegenwart noch beflissener vermeiden.
    Die Neujahrstage kamen, die dunkel feierlichen Tage des Rosch Haschana, bestimmt zur Gewissensprüfung.
    Raquel verbrachte das Fest bei ihrem Vater. Er sprach nicht von dem Abfall Alazars; doch sah sie, wie tief er daran litt. Sie selber hatte die Erschütterung über die Taufe des Bruders nur verhärtet in dem heiligen Willen, ihren Anteil an Gott festzuhalten.
    Jehuda bestellte einen Kundigen in sein Haus, daß der das Widderhorn blase, das Schofar, dessen mahnenden Schall an diesem Bußfeste zu hören jeder Jude verpflichtet ist. Denn dies ist der Tag, da Gott alles Geschaffenen gedenkt, da er Gericht hält und die Lose der Menschen bestimmt. Der gellende, schneidende Klang des Hornes erfüllte Raquel mit frommem Schauder, und in ihrer Märchengläubigkeit sah sie, wie die Namen der Gerechten von einer unsichtbaren Hand in das Buch des Lebens und Wohlergehens eingeschrieben wurden und die der Bösen gelöscht. Die Entscheidung aberüber diejenigen, die nicht gut noch böse waren, über die weitaus meisten also, blieb aufgeschoben bis zum Versöhnungsfest, damit sie die zehn Tage noch nützten, Buße zu tun.
    Am Nachmittag gingen Jehuda und Raquel, wie es der Brauch verlangte, an ein fließendes Wasser. Sie gingen vor die Stadt zum Flusse Tajo. Warfen Brotkrumen in den Fluß, warfen ihre Sünden in den Fluß, daß er sie zum Meer trage, und sprachen die Verse des Propheten: »Wo ist ein Gott, wie du bist, der die Sünde vergibt und die Untreue erläßt, der seinen Zorn nicht ewiglich festhält, denn er hat Lust daran, barmherzig zu sein. Er erbarmet sich unser, er tilgt aus unsere Schuld, er versenkt unsere Sünde in die Tiefe des Meeres.«
    Es dämmerte bereits, als sie wieder zu Hause ankamen. Der Diener brachte Licht. Doch Jehuda winkte ihm, es wieder wegzunehmen, so daß Raquel des Vaters Gesicht nur undeutlich sah, als er zu sprechen anhub. »Die Grabsteine der frühen Ibn Esras«, sagte er, »beweisen, daß wir aus dem Geschlechte König Davids sind. Und nun hat mein Sohn, dein

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