Die Juedin von Toledo
die Lehenshoheit Aragons über den Baron de Castro anerkennen und, um seinen guten Willen zu beweisen, dem regierenden Baron Gutierre de Castro hohe Buße zahlen für den getöteten Bruder; vielleicht sogar ließe Alfonso sich dazu bewegen, dem Baron Gutierre das Castillo in Toledo zurückzugeben.
Sie rechnete damit, daß Alfonso unmöglich den Kreuzzug an der Verweigerung einer solchen Buße werde scheitern lassen; nahm er aber dem Jehuda das Castillo wieder fort, dann war bei der maßlosen Arroganz des Juden ein Bruch mit den Ibn Esras unvermeidlich.
Don Pedro war verwirrt. Ein solches Zugeständnis würde in der Tat viel Unrecht gutmachen. Er spürte auf sich die flehenden Augen der edeln Frau. Tief in ihn eingesenkt hatte sich ihre Andeutung, er tue ihr einen Ritter- und Minnedienst, wenn er Alfonso aus den Klauen der Teufelin befreie. Der Ernst und die Milde der süß und traurigen Königin bewegten ihn mächtig. Er küßte ihre Hand und sagte, er werdeihren Vorschlag in Freundschaft bedenken; kein schöneres Los könne er sich wünschen, als zu Felde zu ziehen für Christus und für sie, Doña Leonor.
Nun Raquel in die Galiana zurückgekehrt war, liebte Don Alfonso sie mehr als je. Manchmal, wenn er ihr edles Gesicht sah, schämte er sich, daß er sie so gemein angefallen hatte; sie war eine Dame, sie war die Dame seines Herzens, und er hatte ihr Gewalt und Unehre angetan. Dann wieder verschaffte ihm gerade die Erinnerung, wie er sie damals gegen ihr verzweifeltes Wehren übermannt hatte, eine böse Lust. Er verspürte eine wüste Sehnsucht, sie von neuem zu demütigen, und wenn sie sich in der Umarmung tiefer vergaß als er, war ihm das ein grimmiger Sieg.
Bei alledem war er ihr dankbar, daß sie jener schlimmen Stunde mit keinem Wort und mit keiner kleinsten Geste gedachte. Gleich nach ihrer Rückkehr hatte sie ihn ängstlich gefragt, was das für eine Wunde an seiner Hand sei; denn die Narben der Risse und Schnitte, welche ihm das splitternde Glas der Mesusa beigebracht hatte, verheilten nur langsam. Er hatte ausweichend geantwortet, und es war ihm eine Erleichterung, daß sie nicht weitergefragt hatte; sie fragte auch nicht, warum die Zisternen des Rabbi Chanan zugeschüttet waren.
Es war nicht so, daß sie jene Stunde wirklich vergessen hätte. Aber wie sie es ersehnt und gefürchtet hatte, war es gekommen: der Schimpf war nicht mehr schimpflich, das Gemeine nicht mehr gemein in seiner leibhaften Gegenwart. Zuweilen sogar, in seiner Umarmung, sehnte sie sich nach dem verwilderten Gesicht, das der Alfonso jener wüsten Minuten getragen hatte.
Ihr Bestreben, ihn zu ändern, ihn aus einem Ritter zum Menschen zu machen, war eitel gewesen wie Wellenschlag gegen einen Felsen. Sie grämte sich nicht darum: sie liebte den Ritter. Sein sinnloses Heldentum, sein mageres, knochiges, holzgeschnittenes, männliches Gesicht, die Mischung von Eleganz und Brutalität erregte sie immer neu.
Von allen Büchern des Großen Buches liebte sie jetzt am meisten das Hohelied. Verse daraus ließ sie an der Wand ihres Schlafzimmers anbringen. »Unbesieglich wie der Tod ist die Liebe. Sie hält fest wie das Grab. Ihre Gluten sind wildes Feuer gleich Blitzen Jahves. Fluten löschen sie nicht, Ströme ersticken sie nicht.« Sie übersetzte Alfonso die Verse, er hörte zu, ernsten Gesichtes. Sie mußte ihm die Verse wiederholen, mußte ihm die hebräischen Worte sagen. »Das klingt nicht schlecht«, meinte er, »das ist gut.«
Seitdem sie ihm die arabische Rüstung geschenkt hatte, wußte er, daß sie den Krieger Alfonso liebte. Aber seine Eifersucht auf ihren Vater und den alten Musa ließ ihn spüren, daß ihr Verstand nach wie vor nicht anerkennen wollte, was an ihm gut und heldisch war. Beflissen, fast leidenschaftlich suchte er sich ihr zu erklären. Krieg war göttliches Gebot, der Ruhm des Kriegers das Höchste, was ein Mann erringen konnte. Erst im Kriege kam heraus, was an einem Manne, was an einem Volke gut war. Hatten nicht auch die Juden ihre Simson und Gideon gehabt, ihre David und Juda Makkabäus? Und wie sollte ein König herrschen ohne Krieg? Ein König brauchte treue Gefolgsmänner, sie erwarteten Lohn von ihm, und mit Recht. Er mußte also immer neues Land haben, um ihre Treue zu belohnen, und wo sollte er dieses Land hernehmen, wenn nicht vom Feind? Ein König ist von Gott eingesetzt, um Beute zu machen und sein Land zu mehren. Er, Alfonso, war maßvoll, er war nicht habgierig wie sein Schwiegervater Heinrich
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