Die Juedin von Toledo
»Habt ihr noch nicht genug Unheil angerichtet, du und deine Jüdin?« fuhr sie auf ihn los, ihre sonst so hübsche Stimme klang häßlich und schrill. »Wollt ihr auch noch meinen Sohn aus der Welt schaffen?« Sie fiel zurück in das Französisch ihrer Kindheit. »Bei den Augen Gottes!« schwur sie den Lieblingsfluch ihres Vaters. »Eher bring ich diesen Menschen mit meinen eigenen Händen um, eh daß ich ihn an mein Kind heranlasse!«
Alfonso wich zurück. Das war eine andere Leonor als die, welche er die fünfzehn Jahre hindurch gekannt hatte. Sogar in jenem Kronrat, als sie ihn demütigte, hatte sie sich in Ton und Geste gezähmt; jetzt zum erstenmal schlug aus ihr heraus jene Leidenschaft, die ihren Vater und ihre Mutter in so maßlose Taten getrieben hatte. Und er, Alfonso, war schuld, er hatte aus der Dame und Königin diese Rasende gemacht.
Der Infant Enrique starb unter Qualen.
Stumm und verhärtet saß Leonor. Aber mitten aus ihrem grenzenlosen Elend wuchs wild und bitter-lustig die Erkenntnis, daß gerade ihr Verlust sie zum Ziele brachte. Jetzt, nach dem Tode des Infanten, war Berengaria wieder die Erbin Kastiliens, jetzt war ihr Verlöbnis mit Don Pedro Verpflichtung vor der ganzen Christenheit. Jetzt konnte kein Jud und Teufel mehr den Krieg verhindern. Jetzt mußte Don Alfonso ins Feld ziehen, seine Trennung von der Jüdin war besiegelt. Noch während sie aber voll grimmigen Selbstspottes den Gewinn bedachte, für den sie den ungeheuren Preis gezahlt hatte, sah sie Alfonso vor sich, gerüstet, um ins Feld zu reiten; er neigte sich vom Pferd zu ihr herunter voll fröhlicher, ritterlicher Zuversicht. Und während sie alle die Monate hindurch nichts gespürt hatte als unbändige Lust, ihn zu strafen, schlug mit einemmal die alte Liebe über ihr zusammen.
Alfonso selber war zerstört. Er hockte da, grauen Gesichtes, das Haar versträhnt, die Augen stier, erloschen. Wüste Reue plagte ihn. Da hatte er sich vorgemacht, er könne Raquel bekehren, und hatte doch von Anfang an gewußt, daß er’s nicht konnte. Die Frau war ihm angeflogen wie eine Krankheit, er hat es gewußt, aber er hat es nicht wissen wollen. Er hat die Augen zugemacht und sich blind gestellt. Jetzt aber hat ihm Gott die Augen in ein furchtbares Licht aufgerissen.
In dieser Nacht, während, umweht von Weihrauch, umleuchtet von Kerzen, umsummt von Gebeten Wache haltender Priester, der tote Infant aufgebahrt in der Kapelle der Burg lag, sprachen Alfonso und Leonor sich aus. Ohne Umschweife fragte er, wie lange sie wohl brauchen werde, um das Verlöbnis Berengarias mit Don Pedro zustande zu bringen. Sie antwortete, die Verträge könnten wohl schon in wenigen Wochen unterzeichnet sein. »Dann werde ich also in zwei Monaten ins Feld ziehen«, erklärte Don Alfonso. »Und das ist gut so«, brach er aus.
Sie saß gefaßt da, sanft, traurig und würdevoll. Sie dachte daran, wieviel Not über sie beide hatte kommen müssen, ehe er sich aus dem Schlamme riß. Ein Wort klang in ihr auf, das ihre Mutter aus ihrem Gefängnis an den Heiligen Vater geschrieben hatte: »Von Gottes Zorne Königin von Engelland«; sie tauschte vernünftige, gleichmütige Worte mit Alfonso, doch in ihr klang es: in ira dei regina Castiliae.
Gelassen mit ihrer hellen Stimme sagte sie, er werde gut tun, sich, bevor er in den Krieg ziehe, von aller Schuld zu lösen. Er verstand sogleich. In ihm brannte die Erinnerung, wie sie ihm vor den andern seinen Schimpf ins Gesicht geworfen hatte und wie noch vor zwei Tagen ihr Haß in Fluch und Schwur ausgebrochen war. Aber jetzt war sie ruhig von Gesicht und Stimme, es war fast, als ob sie Mitleid mit ihm habe, es war keine Zürnende, Strafende, es war eine Liebende, die zu ihm sprach.
»Ich werde sie wegschicken!« gelobte er stürmisch.Als der König auf das Tor der Galiana zuritt, als ihn die Inschrift Alafia, Heil, Segen, begrüßte, noch als er die Mesusa erblickte, deren Glas er zerschlagen hatte, freute er sich trotzig darauf, Raquel zu sagen: »Ich geh in den Krieg, wir trennen uns, Gott will es.« Und nachdem er ihr das gesagt hat, sogleich, wird er nach Toledo zurückkehren.
Aber dann stand sie vor ihm, ihre blaugrauen Augen leuchteten, ihr ganzes Gesicht leuchtete, und seine Entschlossenheit war hin. Wohl trachtete er noch, sein Gelöbnis nicht aus dem Sinn zu verlieren. Er wird es auch halten, er wird ihr von der Trennung sprechen. Aber nicht jetzt, nicht heute.
Er umarmte sie, er aß mit ihr, er schwatzte mit ihr,
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