Die Juedin von Toledo
sagte zu ihm: »Schwillt dir das Herz, lieber Jehuda?Kommst du dir so recht als ein Mardochai vor?« Jehuda antwortete halb im Scherz, halb im Ernst: »Du sagst es.«
Er war glücklich und müde, als er zu Bett ging.
Sein Geist aber arbeitete weiter, als er schlief, und als er des andern Morgens erwachte, war dem merkwürdigen, vielfältigen Mann aus den Eindrücken und Spürungen des vergangenen Tages eine Idee für seine Geschäfte aufgestiegen.
Haman hatte das Los geworfen, um den rechten Tag für die Vernichtung der Juden zu erlosen, aber er hatte den Tag ihrer Rettung und Erhöhung erlost, und Los-Fest, Purim, nannten die Juden das Esther-Fest. Lose werfen, das Glück herausfordern, herausfinden, wem Gott gnädig war und wem nicht, das machte den Menschen Spaß. Wie wäre es, wenn er, Jehuda, diese Neigung ausnützte? Er wird im Namen des Königs ein großes Spiel ausschreiben, er wird einen ungeheuren Glückstopf aufstellen, aus dem ein jeder für billiges Geld ein Los ziehen kann. Wenn auch das einzelne Los dem Schatz des Königs nur kleinen Gewinn bringt, so wird doch der breite Umsatz riesigen Nutzen abwerfen.
Noch am gleichen Tag machte sich Jehuda an die Berechnungen für den großen kastilischen Glückstopf.
Nachdem sich in jenem Kronrat herausgestellt hatte, die Verhandlungen mit Aragon würden noch lange Monate erfordern, drängte es Alfonso, nach Toledo zurückzukehren. Aber er wußte, Doña Leonor hatte sein unehrliches Spiel durchschaut. Wohl war sie von gelassener Freundlichkeit wie immer, aber er konnte nicht und wird niemals vergessen können, wie sie ihm ins Gesicht gesagt hatte: Die ganze Christenheit wird dir ihr Hui und Pfui nachrufen. Er las auf ihrem klaren Antlitz ihre Verachtung, er wollte nicht davonlaufen. Er verbrachte peinvolle Wochen in Burgos, er sehnte sich heiß nach Raquel und der Galiana. Aber er blieb.
Zu Beginn des dritten Monats sagte er sich, nun habe er seiner Pflicht genügt, und rüstete zur Abreise.
Er wurde auf bittere Art zurückgehalten.
Es war richtig gewesen, was ihm Leonor damals mitgeteilt hatte: der kleine Infant Enrique kränkelte. Nun, sehr plötzlich, verschlimmerte sich die Krankheit. Die Ärzte waren hilflos.
Der verzweifelte Alfonso sah in diesem Unglück die Strafe Gottes. Er erinnerte sich, wie er einmal den Rodrigue böse gehänselt hatte, Gott scheine mit ihm, Alfonso, zufrieden; er lasse ihn alles, was er anfasse, glücklich hinausführen. Rodrigue aber hatte erwidert, in solchen Fällen sei die Strafe des Sünders im Jenseits um so schrecklicher; Gnade sei es, wenn Gott schon in diesem Leben strafe. Wenn es Gnade war, dann war es furchtbare Gnade. Aber Alfonso hatte die Strafe verdient. Er hatte geheuchelt im Kronrat, er hatte die falschen, listigen Argumente des Juden gelten lassen und sich feige vor seiner heiligsten Pflicht gedrückt, vor dem Kriege. Daß ihm Gott den Erben niederwarf, zeigte, wie furchtbar er gesündigt hatte.
Auch Doña Leonor machte sich abergläubische Vorwürfe. Sie hatte die Schwächlichkeit des Infanten zu einer Krankheit umgelogen, um Alfonso von der Jüdin fort nach Burgos zu locken. Jetzt machte ein rächender Himmel ihre selbstische Lüge zur Wahrheit. Hilflos und verzweifelt saß sie an der Seite des fieberheißen, um Atem ringenden Kindes.
Da traf aus Toledo der alte Musa Ibn Da’ud ein, den Ärzten in Burgos seine Hilfe anzubieten.
Don Jehuda war, als er von der Erkrankung des Kindes erfuhr, tief erschrocken. Wenn dem Infanten etwas zustieß, dann wird Doña Leonor das Verlöbnis der Prinzessin Berengaria mit Don Pedro durchsetzen, dann konnte kein noch so fein ausgeklügelter Plan die Allianz und den Krieg länger aufhalten. Don Jehuda hatte sogleich die Aljama aufgefordert, Gottesdienste für die Gesundung des Infanten zu veranstalten; die toledanischen Juden beteten mit Inbrunst, sie wußten, worum es ging. Und sogleich auch hatte Jehuda Musa gebeten, nach Burgos zu reisen. Der alte Arzt hatte sich gesträubt. Er hatte erklärt, er wolle erst den Ruf des Königs abwarten. Jehuda indes hatte auf seinem sofortigen Aufbruch bestanden.
Da war er nun. Der König, trotz seines Widerwillens gegenden alten Uhu, atmete auf und teilte Leonor erfreut mit, nun sei der beste Arzt der Halbinsel zur Stelle, dieser Musa Ibn Da’ud, und er werde das Kind bestimmt retten können.
Da aber verzerrte sich Doña Leonors klares, stilles Gesicht, all ihr Wesen veränderte sich erschreckend, und ausbrach ihr ganzer Haß.
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