Die Juedin von Toledo
Eid nicht schwören, Herr König«, bat er.
Der Widerstand des Juden überzeugte den König, daß er das rechte Mittel gefunden hatte, den Listigen zu binden. »Willst du wieder feilschen und dich drehen?« herrschte er ihn an. »Du schwörst mir den Eid, oder ich taufe das Kind noch heute.«
Die alte Formel wurde beschafft. Nicht ganz leicht war es, den rechten Mann zu finden, der Jehuda den Eid abnehmen könnte. Er mußte des Hebräischen kundig sein und zuverlässig, daß er nicht schwatze. Alfonso wandte sich an den Kaplan der Burg, jenen Priester, den er damals gefragt hatte: »Was ist Sünde?«
Der noch junge Herr, beglückt durch das Vertrauen des Königs, befangen durch die Lächerlichkeit und Schauerlichkeitder Zeremonie, nahm also in Gegenwart Alfonsos dem Minister den Eid ab.
Don Jehuda Ibn Esra mußte geloben, daß er bis zur Rückkehr des Herrn Königs das Kind seiner Tochter Doña Raquel in seinem jetzigen Stande belassen werde, weder gläubig noch ungläubig, weder Christ noch Jude. Jehuda mußte das beschwören bei dem Gotte, der mit seinem Finger seine Gesetze in Steintafeln geschrieben hatte, der einstmals Sodom und Gomorrha zerstörte, der der Erde befahl, die Rotte Korah zu verschlingen, der Pharao ersäufte mit Mann und Roß und Wagen. Und der Priester, gemäß der Formel, befahl ihm: »Und nun flehe Gott an, daß er, wenn du deinen Schwur brichst, auf dich herabsende alle die Plagen, die über die Ägypter kamen, und alle die Tochechot, die Flüche, die Gott über diejenigen verhängt hat, die seinen Namen und seine Gebote mißachten.« Und Jehuda mußte seine Hand legen auf die Schrift, auf das achtundzwanzigste Kapitel des Fünften Buches Mose, und der christliche Priester sprach ihm die Flüche vor. Satz um Satz sprach er sie ihm vor, hebräisch, und Jehuda mußte sie wiederholen, Satz um Satz, und der König folgte lustvoll und begierig dem lateinischen Text, Satz um Satz.
Und Jehuda flehte alle die wüsten Flüche herab auf sein Haupt. Und der König und der Priester sprachen: Amen.
Dritter Teil
Darauf beschlossen die Granden, die Jüdin zu töten. Sie begaben sich dorthin, wo sie verweilte, und brachten sie um auf der Estrade ihres Gemaches und ebenso alle, die mit ihr waren.
Alfonso el Sabio, Crónica General
Um 1270
Es beschlossen nun die Seinen,
Dieses Treiben zu beenden,
Das dem König Schande machte.
Sie begaben sich zum Orte,
Wo die Jüdin war, und fanden
Sie auf prächtiger Estrade,
Und sie töteten die Jüdin
Und die um sie waren, alle.
Aus der Romanze des Sepúlveda
Erstes Kapitel
Vom Norden her, den Pyrenäen zu, durch ihre ausgedehnten fränkischen Länder zog mit großem Gefolge die alte Königin Ellinor.
Am gleichen Tage noch, da sich in Engelland Nachricht verbreitet hatte vom Absterben König Heinrichs, ihres Mannes, war sie aus den Toren des Turmes von Salisbury, ihres Gefängnisses, herausgetreten mit der alten Gewalt, niemand hatte ihr zu wehren gewagt, und hatte die Herrschaft in ihre Hände genommen für ihren Lieblingssohn Richard, der nun König war. Dieser selber, der ungestüme Soldat, die Staatsgeschäfte gerne der klugen, energischen Mutter überlassend, hatte sich bald nach der Krönung eingeschifft zur Kriegsfahrt ins Morgenland. Sie aber durchzog ihr großes Reich, Engelland und die riesigen Besitzungen im Fränkischen, zwang störrische Barone nieder, trieb von widerwilligen Grafen, Prälaten, Städten große Gelder ein, hielt Gau- und Gerichtstage ab, ordnete mit schneller Hand die verworrenen Geschäfte.
Verließ die Grafschaften und Herzogtümer des Nordens, die ihr durch die Heirat mit Heinrich zugefallen waren, zog ein in ihre Erblande, das Poitou, die Guienne, die Gascogne. Hörte die vertrauten Laute der Sprache ihrer Jugend, des Provençalischen, der klingenden Langue d’Oc, atmete die milde Luft der Heimat. Im Norden hatte sich dem unterwürfigen Willkomm, den man ihr bot, viel Angst beigemengt; hier begrüßten die Leute, welche die Straße säumten, die alte Fürstin mit unverstellter Freude. Ihnen war sie mehr als die berühmte Königin des Nordens und Erste Dame der Christenheit, ihnen war sie Ellinor de Guienne, die angestammte Herrin ihres Landes, die rechte Erbin.
Fast neunundsechzig Jahre alt war sie jetzt, und die letzten fünfzehn Jahre hatte sie in Gefangenschaft verbracht; aber stattlich saß sie zu Pferde, sorgfältig gekleidet, kunstvoll geschminkt, das Haar gut frisiert und gefärbt. Vielleicht machte es ihr
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