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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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hatten sich Don Alfonso und Don Pedro feierlich durch Unterschrift und Siegel verpflichten müssen, sich ihrem, Ellinor de Guiennes, Schiedsspruch zu fügen; sie hatte sich eine solche Erklärung auch von Doña Leonor und vorsichtshalber sogar von Doña Berengaria ausstellen lassen. Dann beschied sie die vornehmsten Räte der beiden Könige zu sich, jeden zunächst einzeln, stellte ihnen kurze, gescheite Fragen, konfrontierte die Minister, deren Aussagen und Meinungen einander widersprachen, erkundete, was immer zur Sache gehörte.
    Berief einen Kronrat ein, alle Minister der Länder Aragon und Kastilien. Es fehlten nur Don Jehuda und Don Rodrigue; sie wurden in Toledo festgehalten durch die Verwaltung des Reiches.
    »Ich gebe jetzt mein Arbitrium bekannt«, erklärte Ellinor. Sie nahm vor jenes alte, ehrwürdige Schriftstück, welches die Lehenshoheit Kastiliens über Aragon festsetzte, und entfaltete das nun gebrechliche, vergilbte Pergament, von welchem groß die beiden Siegel hingen und das alle sogleich erkannten. »Zuerst einmal«, verkündete sie, »erkläre ich das hier fürungültig. Non valet, deleatur«, und mit festen Händen zerriß sie das Pergament in zwei Fetzen. »Deletum est«, stellte sie fest.
    Don Alfonso hatte seinerzeit, als Jehuda den König Heinrich zum Schiedsrichter vorschlug, dessen Urteil mit schlechtem Gewissen angerufen; Ellinor hingegen war ihm als die von Gott geschickte Richterin erschienen. Nun aber, da er sah, wie das teure Pergament, das ihm Macht gab über den Fant, vernichtet wurde, dieses berühmte, verhängnisvolle Schriftstück, um welches so viele Ritter und Pferde hatten sterben müssen, war ihm, als rissen die Hände dieser alten Frau an seinem lebendigen Leib.
    Ellinor ging jetzt ein auf jene neunzehn wirtschaftlichen Streitfragen, von denen damals Jehuda erklärt hatte, ihre Entscheidung bestimme, welchem der beiden Länder die Vorherrschaft auf der Halbinsel zufallen werde. Auf den Sueldo genau grenzte sie Rechte und Pflichten Kastiliens und Aragons ab. Kastilien und Aragon hörten zu, bald zufrieden, bald unmutig.
    Zuletzt verkündete die alte Fürstin ihr Urteil über die Ansprüche des Gutierre de Castro. Don Alfonso solle ihm eine Buße – sie vermied nicht das harte Wort – von zweitausend Goldmaravedi zahlen. Das war eine außerordentlich hohe Buße, die Hörer verbargen kaum ihre Erregung. »Andernteils«, fuhr Ellinor beiläufig fort, »bleibt jenes Castillo in Toledo, auf welches der Castro Rechte zu haben glaubt, Eigentum Don Alfonsos, beziehungsweise des Mannes, der es mittels gültigen Kaufvertrags erworben hat. Es bleibt Castillo Ibn Esra.« Doña Leonor konnte nicht verhindern, daß ihr Gesicht blaß wurde vor Empörung. Alfonso aber, der diesen Bescheid nicht zu erhoffen gewagt hatte, atmete erleichtert auf; es wäre ihm eine sehr unwillkommene Verpflichtung gewesen, dem Juden gerade jetzt das Castillo wegzunehmen.
    »Ich denke, wir sind zu Ende«, sagte die Dame Ellinor. »Ich habe die einzelnen Schriftstücke ausarbeiten lassen und bitte die zuständigen Herren, sie ihren Königen zur Unterzeichnungvorzulegen. Es ist aber, was darin verfügt wird, durch meine Unterschrift unter dem Schiedsspruch schon heute Gesetz.«
    Später – sie hatte die zornige Überraschung Doña Leonors sehr wohl bemerkt – erklärte sie ihr: »Du bist immer noch nicht klug geworden, kleine Tochter. Dir schwemmt noch immer Leidenschaft die Vernunft weg. Versuche doch zu begreifen, daß es der Gipfel der Torheit wäre, wenn wir, du und ich, dem Juden Krieg ansagten. Und wünschest du etwa, daß der Castro versöhnt werde? Sieh lieber zu, daß er auch in Zukunft dem Juden an den frech herausgestreckten Hals will.«
    Sie wartete, bis sich ihre Worte in Leonor eingesenkt hatten. »Mach dir’s zum Grundsatz, Tochter von Kastilien«, mahnte sie dann, »einem Fordernden niemals alles zu geben, was er verlangt. So hab ich’s von der Mutter meines Heinrich gelernt, der hochseligen Kaiserin Mathilde. Sie hat mir’s eingeprägt: ›Wer von seinem Falken guten Dienst haben will, darf ihm den Fraß nicht geben, er muß den Fraß vor ihm baumeln lassen.‹ Laß das Castillo vor dem Castro baumeln, Doña Leonor.«
    Eine Weile später sagte sie: »Sei nicht böse, wenn ich dich manchmal hart anfasse und dich schelte. Ich weiß genau, was du gut gemacht hast und daß du viel Hindernis hast aus dem Weg räumen müssen, ehe diese Heirat und diese Allianz zustande kam. Du hast Talent zur

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