Die Juedin von Toledo
Königin von Francien sein. Was ist das schon? Sie selber, Berengaria, wird einmal Kastilien mit ihrem Aragon vereinigen, vielleicht, wahrscheinlich wird es ihr glücken, León dazuzuschlagen, vielleicht auch Navarra, ja, vielleicht wird ihr Don Pedro, wenn sie ihn anfeuert, ein Gutteil des moslemischen Andalús dazu erobern. Das Gebiet des Königs von Francien ist eingeschnürt, rings an seinen Grenzen sitzt ihr großer Onkel Richard, der sein Engelland hat und einen sehr viel größeren Teil des fränkischen Gebiets als dieser arme König von Francien. Nein, ihre Schwester von Francien wird nicht viel Staat machen können neben ihr selber.
Don Alfonso freute sich seiner schönen Töchter. Er war der alten Königin Ellinor dankbar, daß sie diese Verschwägerung mit Francien in die Wege geleitet hatte; es war gut, daß in dieser Zeit des großen Krieges die Verbundenheit der christlichen Fürsten gefestigt wurde. Er sah das nicht schöne, doch kühne und gescheite Gesicht seiner Ältesten, seiner Berengaria, sah mit einer kleinen Heiterkeit, doch auch mit leisem Ärger den unbändigen Hochmut darauf. Sie verschloß sich jetzt vor ihm noch strenger als früher. Sie verdachte es ihm, daß er »sich verlegen« hatte, sie fühlte sich sichtlich schon als Königin von Aragon und sah in ihrem Vater einen Mann, der ihr Erbe sträflich schlecht verwaltete.
Doña Leonor trug ein rotes Gewand aus schwerem Damast mit einem silbernen Saum, in den Löwen eingewirktwaren; sie wußte, dieses Kleid stand ihr nicht gut, aber heute legte sie’s darauf an, sich von ihren Töchtern überstrahlen zu lassen. Sie war stolz auf diese Töchter, von denen nun zweie auf hohen Thronen Europas sitzen werden. Die Welt wurde klein ohne die Länder, über welche sie, ihre Mutter, ihr Bruder, ihre Töchter Gewalt hatten.
Die alte Ellinor betrachtete mit harten, hellen Augen, die sich nichts vormachen ließen, ihre beiden Enkelinnen. Im stillen hatte sie bereits ein neues Projekt ausgedacht. Diejenige, die sie nicht nach Francien vergibt, wird sie auf den Thron von Portugal setzen; Portugal, infolge seiner guten Häfen, war wichtig für Engelland. Sie wog also: welche paßt besser nach Paris, welche nach Lissabon? Sie prüfte die beiden Mädchen mit fast ungeschliffener Gründlichkeit. Richtete unverblümte Fragen an sie, hieß sie näher kommen, um ihren Gang zu beobachten, hieß sie ein weniges singen, fragte sie aus lateinisch und provençalisch. »Nette Mädchen«, sagte sie schließlich zu Doña Leonor, doch so laut, daß jeder es hören konnte, »erfreuliche Prinzessinnen. Sie haben einiges von Alfonsos kastilischen Vätern, mehr von meinen Vätern von Poitou und merkwürdig wenig von den Plantagenets.« Dann wandte sie sich nochmals an die Infantinnen und fragte die ältere: »Wie heißt du doch, Prinzessin?« – »Urraca, Frau Großmutter und Königin«, erwiderte sie, und die andere sagte: »Ich bin Doña Blanca, Frau Königin.«
Später waren Ellinor, Alfonso und Leonor allein mit dem Bischof von Beauvais, dem Sondergesandten des Königs von Francien. »Welche hat dir besser gefallen, Hochwürdigster?« fragte Ellinor den Bischof. Höflich und vorsichtig antwortete der Prälat: »Jede verdient, Königin zu sein.« – »Das finde ich auch«, sagte Ellinor. »Aber da ist eines zu erwägen. In Francien wird man Schwierigkeiten haben, den Namen Urraca auszusprechen. Das mindert die Popularität dieser Infantin. Ich denke, wir geben deinem Erbprinzen Louis unsere Doña Blanca.«
So wurde entschieden.Kaum ein Tag verging, ohne daß der Hof von Burgos ein Fest zu Ehren der Dame Ellinor und der Neuvermählten gab. Die alte Königin zog sich besser an und richtete sich geschickter her als viele Damen, welche ihre letzten Jahre nicht im Gefängnis verbracht hatten, sondern in Kreisen, welche Stoffe, Kleider, Schmuck und Schminke gründlich studierten und diskutierten. Sie schritt im Tanz kundig und geschmeidig wie eine Junge. Sie hatte kennerische Freude an Speisen und Weinen. Sie saß gut zu Pferde und bewährte sich auf der Jagd. Auch wenn sie auf der Tribüne den Kampfspielen zuschaute, bezeigte sie Sachverständnis. Und unbestritten war ihr Urteil, wenn die Damen die Dichtungen der Troubadours und Conteurs zu werten hatten.
So viel Kraft sie brauchte für Jagd und Tanz und Fest und Lied, die Aufmerksamkeit und Energie, mit der sie den Anschluß der Allianz betrieb, wurde dadurch nicht geringer. Sie ging methodisch vor. Erst einmal
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