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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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gefährdet, bin ich. Ich will diesen Knaben retten, deinen Sohn, meinen Enkel. Wenn der Krieg vorbei ist, wenn das Land wieder ruhig ist, wenn Alfonso ruhig geworden ist, dann holen wir Immanuel zurück.« Er wartete lange. Dann sagte er: »Ich will nicht, meine Tochter, daß du in dieser Sache irgend etwas tust. Du sollst nichts davon wissen, wie diese Tat geschieht. Ich bitte dich nur: sag nicht nein. Alles andere falle auf mein Haupt.«
    Für eine ganz kurze Weile stellte sich Raquel vor, was es bedeutete, daß der Vater den Zorn Alfonsos auf sich zu ziehen bereit war. Sie wußte, wie furchtbar Alfonso in seinem Zorn war; es war sehr wohl möglich, daß er den Vater tötetein seiner Wut. Dies alles nahm der Vater auf sich, um Immanuel zu retten. Dabei hatte er sich’s aus geheimnisvollen Gründen versagt, den Knaben auch nur zu sehen. Er war tapfer. Er ließ immer die hohe Vernunft, die Gott ihm gegeben hatte, siegen über seine Gefühle. Sie konnte das nicht. Nicht einmal ihrem Gefühl konnte sie vertrauen. War sie nicht vor einer halben Stunde noch ihres Glückes sicher gewesen, geborgen im Mantel des Schicksals? Und jetzt hatte sie Angst um das Kind und um den Mann. Wenn sie sich jetzt weigerte, Immanuel fortzugeben, gefährdete sie dann nicht sein Leben? Und wenn sie ihn fortgab, verlor sie dann nicht die Liebe des Mannes? Laut plötzlich, als würden sie hier und jetzt gesprochen, hörte sie die Worte ihrer Freundin Layla: »Du Arme.«
    Sie versuchte, die Trümmer der früheren seligen Gewißheit zusammenzustücken. Die Trennung von Immanuel wird nur kurze Zeit dauern. Und Alfonso mußte sie verstehen, Alfonso wuchs ihr zu.
    Nach einer ewigen Minute sagte sie: »Es geschehe, wie du es für recht hältst, mein Vater.«
    Dann aber fiel sie um, in Ohnmacht. Der Vater, um sie bemüht, dachte: So war sie umgefallen, damals, als ich sie beredete, zu diesem König zu gehen. Er spürte grenzenloses Mitleid mit der Ohnmächtigen, und er beneidete sie. Ihm war es versagt, in solche Ohnmacht zu flüchten, er mußte sein Elend in Bewußtsein zu Ende kosten.
    Alfonso war auf dem Weg von Burgos nach Toledo. In seiner Begleitung waren der Erzbischof Don Martín, der Ritter Bertran de Born, der Schildknappe Alazar.
    Das Land, durch welches sie ritten, rüstete zum Feldzug. Auf allen Straßen zogen junge Männer den Burgen ihrer Lehnsherren zu, überall waren kleine Gruppen Bewaffneter auf dem Weg nach dem Süden. Alfonso und seine Begleiter musterten sie sachkundig, muntere Zurufe, Scherze flogen hin und her zwischen den Herren und ihren künftigen Soldaten.
    Der König war fröhlich wie ein Fohlen. Er freute sich auf den Krieg, er freute sich darauf, das Söhnchen wiederzusehen, den lieben Bastard Sancho, das Gräflein von Olmedo. Er spürte für das Söhnchen eine fröhliche, kräftige, väterliche Liebe, der kleine Sancho sollte sie zu spüren bekommen. Er selber war ohne Vater aufgewachsen; er war mit drei Jahren König geworden, und niemand hatte gewagt, den Knaben, der König war, ernstlich zurechtzuweisen. Das Kind sollte kein Muttersöhnchen werden, es sollte die Hand des Vaters spüren. Sowie er zurück ist, wird er die Hand auf den Sohn legen. Sogleich, schon am ersten Tag, wird er Sancho taufen lassen. Raquel wird ihn verstehen. Er wird auch sie der Gnade zuführen, wenn es sein muß, mit Strenge, und sie wird ihm dankbar sein.
    Er ritt ein in Toledo, säuberte sich, zog sich um, ritt zu Raquel. Alafia, Heil, Segen, grüßte es vom Tor der Besitzung. Im Eingang des Hauses stand Raquel. Ungestüm, stolz und zärtlich riß er sie an sich. Sie spürte nichts als strömendes Glück, daß er wieder da war. Sie gingen ins Haus, er den Arm fest um ihre Schulter. Er ließ sie los, stellte sie vor sich hin, schaute sie an von Kopf zu Fuß, lachend, glücklich.
    Dann sagte er: »Und jetzt zu dem kleinen Sancho.«
    Raquel sagte: »Er ist nicht da.«
    Alfonso trat einen kleinen Schritt zurück, er begriff nicht, er starrte sie an, beinah dumm vor Staunen. Fragte: »Wo ist er denn?« Ein böser Verdacht stieg ihm auf. War das Kind im Castillo?
    Sie nahm allen Mut zusammen und sagte tapfer und der Wahrheit gemäß: »Ich weiß es nicht.« Seine Augen wurden hell von jenem Zorn, den sie kannte. »Du weißt nicht, wo mein Kind ist?« fragte er leise, wild. Raquel sagte: »In Sicherheit. Unser Sohn ist in Sicherheit, das ist alles, was ich weiß. Mein Vater hat ihn in Sicherheit gebracht.«
    Alfonso packte sie am Arm, so fest,

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