Die Juedin von Toledo
Verständnis für ihn haben.
Die letzte Nacht vor der Abreise verbrachte er in der Galiana. Er war heiterster Laune, sehr gnädig, er trug Raquel nichts nach. Er stolzierte vor ihr auf und ab und rühmte sich seiner Antwort an den Kalifen.
Er dehnte sich, reckte die Arme. »Ich habe lange gefeiert«, sagte er, »aber ich bin nicht eingerostet. Jetzt endlich wirst du sehen, wer dein Alfonso ist. Es wird ein kurzer, glorreicher Feldzug sein, das spüre ich. Geh nicht erst nach Toledo, meine Raquel. Bleib hier in der Galiana, versprich mir das. Du wirst hier nicht lange auf mich zu warten haben.«
Raquel saß halb liegend auf ihren Polstern, den Kopf in die Hand gestützt, und schaute und hörte ihm zu, wie er auf und nieder lief und die Taten verkündete, die er zu tun gedachte.
»Wahrscheinlich übrigens«, sagte er jetzt, »werde ich dich, noch bevor ich zurückkehre, bitten, zu mir nach Sevilla zu kommen. Du mußt mich dann in deiner Heimatstadt herumführen. Und du mußt dir aus meiner Beute aussuchen, was dir am besten gefällt.«
Sie ließ den Arm sinken, der den Kopf gestützt hatte, richtete sich ein wenig hoch, angefrostet von seinen Reden. Da machte er gedankenlos grausam vor ihr aufsteigen das Bildihrer Heimatstadt, die er berennen und niedertreten wollte, um dann sie über die Trümmer zu führen.
»Mein Sieg wird dich auch überzeugen«, fuhr er fröhlich fort, »wessen Gott der rechte ist. Bitte, antworte nicht, streite nicht heute. Es ist ein festlicher Tag, wir gehören an diesem Tage zusammen, du mußt teilhaben an meiner Freude.«
Sie hatte ihm jetzt die großen, blaugrauen Augen voll zugewandt; ihr lebendiges Gesicht und all ihre Gebärde gestaltete Staunen, Abwehr, Befremdung.
Er hielt inne, er spürte das Trennende, das zwischen ihnen aufgestanden war. Aus der Stummheit Raquels klang ihm fernher die Anklage Rodrigues. Er wandelte sich aus dem wild einherfahrenden Feldherrn in den großartig verzeihenden. »Glaub aber nun ja nicht«, redete er heiter auf sie ein, »daß etwa dein Alfonso hart sein wird zu den Besiegten. Meine neuen Untertanen werden einen milden Herrn haben. Ich werde es ihnen nicht verbieten, ihren Allah und ihren Mohammed anzubeten.« Ein weiterer großmütiger Einfall kam ihm. »Und von den moslemischen Rittern, die ich gefangennehme, werde ich tausend ohne Lösegeld freigeben – Alazar soll sie mir aussuchen, das wird ihm Freude machen. Und ich werde sie in Ehren mitkämpfen lassen in dem großen Tournier, das ich zur Siegesfeier gebe.«
Raquel konnte sich seinem Stürmen und Schimmern nicht entziehen. So war er, sinnlos tapfer, nur des Sieges denkend und keiner Gefahr, sehr jung, ganz Ritter, Krieger, König. Sie liebte ihn. Sie war ihm dankbar, daß er die letzte Nacht vor seinem Feldzug mit ihr teilte.
Es war alles wie früher. Sie aßen in hoher Fröhlichkeit zu Abend. Er, gemeinhin mäßig, trank dieses Mal ein wenig mehr als sonst. Er sang, was er sonst nur tat, wenn er allein war. Sang kriegerische Lieder. Sang jenes Lied des Bertran: »Es ist mir Augenweide, wenn man ein festes Schloß berennt.« Und: »Schade, daß du meinen Freund Bertran nicht hast sehen wollen«, meinte er. »Er ist ein guter Ritter, der beste, den ich kenne.«
Nach dem Essen zog sie sich zurück, wie sie es von jeher gehalten hatte. Sie wollte sich noch immer nicht vor seinen Augen auskleiden. Dann kam er zu ihr, und es war wie in der ersten Zeit, Ineinanderströmen, Erfüllung, Seligkeit.
Später, müde, glücklich, schwatzten sie noch. Er, doch jetzt nicht befehlerisch, eher bittend, sagte abermals: »Bleib hier in der Galiana in der Zeit meiner Abwesenheit. Geh zu deinem Vater, so oft du willst, aber zieh nicht zu ihm ins Castillo. Wohne hier. Hier ist dein Haus, unser Haus. Hodie et cras et in saecula saeculorum«, fügte er lästerlich hinzu.
Sie, lächelnd, halb schlafend schon, wiederholte: »Hier ist mein Haus, unser Haus, in saecula saeculorum.« Sie dachte noch: Wenn ich einschlafe, wird er gehen. Schade, daß ich es so gewollt habe. Aber am Morgen werde ich mit ihm frühstücken. Und dann reitet er fort in seinen Krieg. Und von seinem Pferd wird er sich noch einmal herunterbücken zu mir, und wo der Weg sich wendet, wird er sich nach mir umschauen. Sie lag mit geschlossenen Augen, sie dachte nichts mehr, sie schlief ein.
Alfonso, da sie eingeschlafen war, blieb eine kleine Weile liegen. Dann stand er auf, räkelte sich, gähnte. Nahm einen Schlafrock um. Sah auf die Frau,
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