Die Juedin von Toledo
die dalag mit geschlossenen Augen, um den Mund ein kleines Lächeln. Betrachtete sie wie etwas Fremdes, einen Baum oder ein Tier. Schüttelte verwundert den Kopf. War nicht soeben noch, vor wenigen Minuten, von dieser ein Glück ausgeströmt, wie keine Frau es ihm je hatte schaffen können? Und jetzt spürte er Unbehagen, etwas wie Verlegenheit, daß er mit ihr in einem Raum war und die Nackte, Schlafende belauschte. Im Geist war er schon in Calatrava, bei seinen Rittern.
Bevor er mit ihr schlief, hatte er daran gedacht, in aller Frühe nach Toledo zu reiten, seine Rüstung anzulegen, die wirkliche, die er im Felde trug, in die Galiana zurückzukehren und sich von Raquel zu verabschieden, angetan mit dieser seiner Rüstung und gegürtet mit seinem guten Schwert Fulmen Dei. Er gab es auf.
Am nächsten Morgen wartete sie, daß er sich von ihr verabschiede.Sie war glücklichen Mutes, auch sie voll Zuversicht, alles werde gut werden.
Sie stellte sich vor, wie der Morgen verlaufen werde. Frühstücken wird er mit ihr im Hauskleid. Dann wird er die Rüstung anlegen. Und dann wird er fortreiten, und sie wird die große, selige, herzzerreißende Minute erleben, von der in den Liedern die Rede ist: der fortziehende Liebste wird sich vom Pferde neigen, sie küssen, ihr zuwinken.
Sie wartete, erst glücklich, dann mit leiser Angst, dann immer ängstlicher.
Endlich fragte sie nach Don Alfonso. »Der König Unser Herr ist schon vor Stunden fortgeritten«, antwortete der Gärtner Belardo.
Viertes Kapitel
Der Kalif Jakúb Almansúr war nicht mehr jung, er kränkelte, er hätte seine letzten Jahre gern im Frieden verbracht und hatte sich verpflichtet geglaubt, den König von Kastilien an den Vertrag zu mahnen. Doch hatte er, über die Natur des Königs wohl unterrichtet, von vornherein wenig Hoffnung gehabt, daß seine Botschaft fruchten werde. Eine so dummdreiste Antwort indes hatte er nicht erwartet. Die Frechheit des Unbeschnittenen schien dem tiefgläubigen Manne eine Mahnung Allahs, vor seinem Ende noch einmal das Schwert zu ziehen, die Ungläubigen zu züchtigen und den Islam weiterzuverbreiten.
Zunächst ließ er den Brief Alfonsos in zehntausend Abschriften kopieren und in seinem ganzen, weiten Reiche bekanntmachen. Die Mohaden, die Araber, die Kabilen, alle Völkerschaften, die ihm botmäßig waren, sollten wissen, wie gemein der christliche König den Herrscher der Gläubigen beschimpfte. Auf den Märkten wurde der Brief von öffentlichen Ausrufern verlesen, und im Anschluß daran die Worte des Korans: »So spricht Allah, der Allmächtige: Ich werdemich kehren wider sie und werde Staub und Verwüstung aus ihnen machen durch Heere, wie sie noch nie gesehen worden sind. Ich werde sie in den tiefsten Abgrund werfen und sie vernichten.«
Aufflammte Glaubenswut im ganzen westlichen Islam. Sogar die widerspenstigen Stämme im Tripolitanischen ließen ab von ihrer Fehde wider den Kalifen, um ihm beizustehen in diesem Heiligen Kriege.
Helle Begeisterung war im moslemischen Andalús, nun man der Hilfe des Kalifen gewiß war. Zudem übertrug dieser den Oberbefehl der gesamten Armee einem Andalusier, dem bewährten General Abdullah Ben Senanid.
In der neunzehnten Woche des Jahres 591 nach der Flucht des Propheten brach Jakúb Almansúr von seinem Hoflager in Fez auf, um sich zu der Armee zu begeben, die er an der Südküste der Meerenge versammelt hatte. In seiner Begleitung waren sein Kronprinz Cid Mohammed und zwei andere seiner Söhne, sein Großwesir und vier seiner Geheimen Räte, ferner seine beiden Leibärzte sowie sein Chronist Ibn Jachja.
Am zwanzigsten Tage des Monats Redsched befahl der Kalif die Überfahrt. Als erste setzten über die Meerenge die Araber, es folgten die Sebeten, die Masamuden, die Gomaras, die Kabilen, ihnen folgten die Bogenschützen, die Mohaden; den Beschluß bildeten die Leibregimenter des Kalifen. Mit der Gnade Allahs vollzog sich die Überfahrt binnen drei Tagen, und das riesige Heer lagerte weitum in der Gegend von Alchadra, von Cádiz bis Tarifa.
Und nun der Kalif auf dem Boden des Andalús stand, gab er ein großes Schauspiel. Seit urdenklichen Zeiten ragte vor Cádiz, im Westen der Meerenge, ein riesiger Säulenbau aus dem Wasser. Gekrönt war er von einer gewaltigen goldenen Statue, die auf viele Meilen hinaus über die See glänzte; sie stellte einen Mann dar, der seinen rechten Arm gegen die Meerenge ausstreckte, in der Hand hielt er einen Schlüssel. Römer und Goten hatten den
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