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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Sorge für deine Stadt und ihre Wälle.«
    Alfonso merkte mit Verwunderung, daß ihn die Frechheit des Mannes nicht erzürnte. Der Mann hatte wirklich nichts erwähnt von dem zweideutigen Auftrag Doña Leonors, er schob der Dame keine Schuld zu, er stand selber ein für alles, was geschehen war. Sieh an, er ist ein Ritter, dieser Castro, dachte Alfonso.
    Der früher so rege, immer tätige Domherr Don Rodrigue besorgte seine Amtsgeschäfte lustlos, raffte sich selten auf, zu lesen oder zu schreiben, hockte herum, trüb und einsam.
    Musa konnte ihm nur wenig Gesellschaft leisten. Es gab viele Kranke und Verwundete in Toledo, Musas ruhiges, sicheres Wesen flößte Vertrauen ein, und trotz des Argwohns gegen den Moslem verlangten viele nach seiner berühmten Heilkunst.
    Rodrigue beneidete den Freund um die stete Tätigkeit, die ihn von quälenden Gedanken ablenkte, er selber versank immer tiefer in triste Meditationen über die Vergeblichkeit alles Tuns, er war gelähmt im Innersten.
    Aus Italien hatte man ihm eine Schrift gesandt, die seiner eigenen Verzweiflung Wort gab; ein junger Prälat hatte sie verfaßt, Lotario de Conti, sie hieß: »De conditione humana – Von der Beschaffenheit des Menschen.« Eine Stelle vor allem drückte sich ihm ein: »Wie nichtig bist du, o Mensch. Wie übel steht es um deinen Leib. Schau auf die Pflanzen und Bäume. Sie bringen Blüten hervor, Blätter, Früchte; du aber, weh dir, du bringst hervor Läuse, Ungeziefer, Gewürm. Jene scheiden aus Öl, Wein, Balsam; du scheidest aus Harn, Speichel, Kot. Jene hauchen aus liebliche Düfte; du gibst Gestankvon dir.« Die Sätze ließen Rodrigue nicht los, sie verfolgten ihn bis in seinen Schlaf.
    Er sehnte sich kaum mehr nach der stillen Verzückung, die ihm früher letzte Zuflucht gewesen war. Jener inbrünstige, vollkommene Glaube schien ihm jetzt nicht mehr Gnade, sondern billige Betäubung, armselige Flucht aus der Wirklichkeit.
    Erleichterung war ihm, daß sich zuweilen Don Benjamín einstellte. Der junge Mensch führte inmitten des eigenen und des allgemeinen Elends das Werk der Akademie mit zäher Gelassenheit weiter. Der Domherr staunte über Benjamíns Willenskraft, seine Besuche verscheuchten ihm die ätzende Melancholie.
    Einmal bat er den Schüler: »Wenn es dich nicht zu tief aufwühlt, dann laß mich doch wissen, was geschah und was gesprochen wurde, als du das letztemal in der Galiana warst.«
    Benjamín schwieg. Schwieg so lange, daß Don Rodrigue bereits glaubte, er werde nicht antworten. Dann aber fand er heiße Worte, Raquel zu preisen, wie schön sie gewesen sei an diesem ihrem letzten Tag. Und er trug keinen Anstand zu erzählen, daß sie den Schutz der Judería nur deshalb verschmäht hatte, weil ihr vom König aufgetragen war, in der Galiana auf ihn zu warten. Aus seinen Worten sprach der Grimm über die ergebene Glut, mit der sie an ihren Ritter und Liebsten geglaubt hatte.
    Den Domherrn erschütterte der Bericht. »Du weißt nicht, was das ist: Liebe«, hatte der König zu ihm gesagt, aber er selber wußte es nicht. Alfonso hatte Raquel »geliebt«, es war Sturm, Gewalt, Gewitter gewesen, aber er war eingesperrt geblieben in sich selber, er hatte nicht mit ihr gefühlt. Da hatte dieser unheilvolle Mensch, dieser Ritter ganz und gar, ein Wort hingeworfen, wahrscheinlich hatte er’s vergessen, kaum daß es gesprochen war, und das flüchtige Wort hatte Raquel in den Tod getrieben. Was immer seine leichtfertige Kühnheit unternahm, schlug zum Unheil aus.
    Ein paar Tage später, ein wenig befangen, brachte Benjamín dem Domherrn eine Zeichnung. Er hatte den Königaus der Nähe gesehen, er hatte wahrgenommen, wie sehr sich Alfonso verändert hatte; das im einzelnen zu ergründen, hatte er den König gezeichnet, und nun, verlegen und gespannt, brachte er das Bild dem Domherrn.
    Der beschaute es, lange. Sah den Kopf eines Mannes, der vieles erfahren und vieles gelitten hatte, aber doch eines Ritters Kopf, eines unbedenklichen, ja, harten und grausamen Mannes Kopf. Er dachte an das Bild des Königs, wie er selber es, in Worten, in seiner Chronik gezeichnet hatte, er dachte an den Kopf des Königs, wie er geprägt war auf den Goldmünzen des Jehuda. Er legte die Zeichnung beiseite. Ging auf und ab. Nahm sie von neuem auf und beschaute sie. Sagte, wunderlich angerührt: »Das also ist König Alfonso von Kastilien.«
    Benjamín, betroffen über die Wirkung seiner Zeichnung, sagte: »Ich weiß nicht, ob Alfonso so ist. In meinem

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