Die Juedin von Toledo
ihm selber an der Erhaltung des Friedens, und er kam ihm freundschaftlich entgegen. Was Jehuda wollte, war, daß Aragon die kastilischen Gefangenen der Castros auslöse und an Don Alfonso zurückgebe; dieser würde dafür von seinem Anspruch auf die Stadt Daroca abstehen. Jehudas Vorschlag schien Don Joseph nicht unbillig, und er glaubte auch, ihn seinem Herrn schmackhaft machen zu können. Freilich durfte man nichts überstürzen. König Raimundez war im Feldlager, voll beschäftigt mit der glücklichen Beendigung des Krieges gegen den Grafen von Toulouse, und Don Joseph mußte die rechte Zeit abwarten, ehe er ihm mit einer so unwichtigen Angelegenheit kommen konnte. Er werde in etwa zwei Wochen zu Don Raimundez ins Feldlager reisen. So lange möge sich Don Jehuda gedulden. Dann möge auch er sich bei Don Raimundez einfinden.
Jehuda nutzte die zwei Wochen. Er fuhr nach Perpignan und brachte ein verwickeltes Geschäft zu einem glücklichen Ende. Er fuhr nach Toulouse, um einen Verwandten zu besuchen, Meïr Ibn Esra, den jüdischen Bailli dieser Stadt. Dann fuhr er zu König Raimundez ins Lager. Don Joseph half ihm treulich, und Don Raimundez hörte ihn gnädig an. Allein der König war ein langsamer, gründlicher Herr, und es dauerte eine weitere volle Woche, ehe er sich entschloß, ja zu sagen.
Jehuda atmete auf. Das übelste von den dummen Hindernissen, die sein Friedenswerk gefährdeten, war beseitigt. Er schickte einen Kurier an Don Alfonso mit der Nachricht, der erfreuliche Vertrag sei unterschrieben und gesiegelt, er selber, Jehuda, werde in wenigen Tagen zurück sein.
Allein diese Botschaft war noch nicht in Toledo angelangt, als Don Alfonso aus Cuenca ein langes, verworrenes Schreiben seines Freundes Estéban Illán erhielt.
Unvorhergesehenes hatte sich ereignet. Bewaffnete Knechte der Castros hatten auf kastilischem Gebiet eine Schafherde rauben wollen. Leute des Don Estéban hatten sie ins Gebiet der Castros hinein verfolgt. Dort waren sie auf eine Schar von Rittern und Knappen gestoßen. Es hatte Schimpfreden gegeben, ein Scharmützel. Dabei war einer der Ritter umgekommen, unglücklicherweise einer der Brüder Castro, der Graf Fernán. Nicht leugnen lasse sich, schrieb Don Estéban, daß Fernán de Castro, als der kastilische Pfeil ihn traf, nicht zum Kampfe gerüstet war, sondern wohl auf einem Jagdausflug begriffen, er habe seinen Lieblingsfalken auf dem Handschuh getragen. Warum der kastilische Kriegsknecht den unbesonnenen Pfeil abgeschossen hatte, lasse sich kaum mehr feststellen; jedenfalls habe er, Estéban, den schuldigen Kriegsknecht sogleich hängen lassen.
Don Alfonso las, und ihm sank das Herz. Schlimmer hätte das Unternehmen nicht ausgehen können. Ein gemeiner Kriegsknecht hatte einen Herrn höchsten Adels, der nicht bewaffnet war, schmählich gemeuchelt in seinem, Alfonsos, Auftrag. Ganz Hispanien wird das ihm, dem König von Kastilien, zum Schimpf anrechnen.
Der andere Castro, Gutierre, hatte jetzt triftigen, ritterlichen Grund, seinen Bruder zu rächen. Er wird sich an Aragon wenden, und König Raimundez, Sieger in der Provence, hatte den willkommenen Vorwand, ihn, Alfonso, den gehaßten Neffen, mit Krieg zu überziehen. Der dumme Krieg mit Aragon, den er nicht gewollt hatte, vor dem jeder ihn gewarnt hatte, jetzt war er da.
Alfonso schämte sich vor Jehuda. Schämte sich vor allen seinen Räten. Vor der ganzen Christenheit. Dabei hatte er nur getan, was jeder andere Ritter an seiner Stelle getan hätte. Es war seine königliche Pflicht gewesen, seine gute Stadt Cuenca zu schützen und Truppen hinzuschicken. Und wenn er dem kühnen Don Estéban Illán den Befehl übertragen hatte, so konnte ihn auch darum niemand schelten. Don Estéban war sein Freund und ein guter Ritter und trug überdies das Knöchelchen des heiligen Ildefonso in sein Schwert geschmiedet. Ach, die gute Reliquie hatte den Satan nicht abgehalten. Denn es war nichts als höllisches Unglück, daß es so gekommen war, es war Tücke des Satans, und niemand trug Schuld, nicht er, nicht Don Estéban, nicht Fernán de Castro, nicht einmal der Jude. Aber alle Christenheit wird ihm die Schuld geben, ihm, Alfonso.
Nein, dieser Jehuda hat ihm kein Glück gebracht. Und jetzt, da er seinen Rat dringlich brauchte, war er nicht da!
Es war gut, daß er nicht da war. Er hätte ihn jetzt nicht sehen können. Er hätte sein vorwurfsvolles, gescheites Gerede nicht ertragen. Er mußte einen Menschen haben, der ihn ganz begriff,
Weitere Kostenlose Bücher