Die Juedin von Toledo
dem Namen des Königs Unseres Herrn und gesiegelt mit seinem Wappen.«
»Dieses klägliche Schriftstück«, sagte zornig der Erzbischof, »ist jetzt null und nichtig, und niemand kann Unsern Herrn den König tadeln, wenn er’s dem Henker übergibt, daß er’s verbrennt. Du bist durch diesen Vertrag nicht gebunden, Herr König«, wandte er sich an Alfonso. »›Juramentum contra utilitatem ecclesiasticam prestitum non tenet – Ein Eid gegen das Wohl der Kirche gilt nicht.‹ So steht es in der Dekretaliensammlung des Gratianus.«
»So ist es«, stimmte der Domherr bei und neigte ehrerbietig den Kopf. »Aber diese Ungläubigen kümmern sich nicht darum. Sie bestehen darauf, daß Verträge gehalten werden. Sultan Saladin hat die meisten seiner Gefangenen geschont: als sich aber der Markgraf de Châtillon darauf berief, daß er den Waffenstillstand zu Recht gebrochen habe, denn sein Eid sei vor Gott und der Kirche ungültig gewesen, da – erinnert euch, Herren! – ließ der Sultan ihn hinrichten. Und der Kalif der westlichen Ungläubigen denkt und handelt genau wie Saladin. Wenn wir den Waffenstillstand mit Sevilla nicht einhalten, dann wird er aus seinem Afrika übers Meer kommen, und seine Soldaten sind zahlreich wie der Sand der Wüste, und da hilft keine Tugend und keine Tapferkeit. Wenn also der König Unser Herr, sich aufs göttliche Recht der Kirche berufend, den Vertrag für ungültig erklärte, dann wäre das nicht zum Nutzen der Kirche, sondern gegen diesen Nutzen.«
Don Martín schaute seinen Sekretär grimmig an; immer kam er mit solchen Rabulistereien. Don Rodrigue aber fuhr unbeirrt fort: »Gott, der in die Herzen sieht, weiß, wie heiß wir alle gewillt sind, die Schmach der Heiligen Stadt zu rächen. Aber Gott hat uns auch Vernunft gegeben, damit wir nicht durch überschnellen Eifer das Unglück der Christenheit noch mehren.«
Don Alfonso brütete zornig vor sich hin. »Die Afrikaner werden Sevilla zu Hilfe kommen«, sagte er dann, »das ist wahr. Aber auch ich werde nicht allein sein. Die Kreuzfahrer, die an diesen Küsten landen, werden helfen, wenn ich gegen die Moslems losschlage. Sie haben uns auch früher geholfen.«
»Diese Kreuzfahrer«, gab Manrique zu bedenken, »werden in vereinzelten Haufen kommen, sie können der disziplinierten, wohlorganisierten Armee des Kalifen nicht standhalten.« Und da der König sich nicht überzeugen lassen wollte, mußte ihm wohl Don Manrique den wahren Grund nennen, der Kastilien zur Untätigkeit zwang. Er schaute ihm ins Gesicht und sagte langsam und deutlich: »Aussichten, Herr König, hast du nur dann, wenn du dir den Beistand deines Vetters von Aragon sicherst, und es müßte voller, aus dem Herzen kommender Beistand sein. Don Pedro müßte dir willig den Oberbefehl überlassen. Ohne einheitlichen Oberbefehl sind die christlichen Heere unserer Halbinsel dem Kalifen nicht gewachsen.«
In seinem Herzen hatte Don Alfonso gewußt, daß es so war. Er antwortete nicht. Er beendete den Kronrat.
Als er allein war, faßte ihn unbändige Wut. Fast dreiunddreißig Jahre war er jetzt, ein ganzes Menschenalter hatte er durchlebt, und nicht war es ihm vergönnt gewesen, wahrhaft große Taten zu tun. Alexander hatte in seinem Alter die Welt erobert. Und nun war die große, einmalige Gelegenheit da, der Kreuzzug, und sie verhinderten ihn mit unwiderleglich listigen Gründen, sich als neuer Cid Compeador Ruhm zu erwerben.
Aber er wird sich’s nicht verwehren lassen. Und wenn der junge Fant, der Lausbub von Aragon, ihn nicht als Oberfeldherrn anerkennt, dann wird er eben ohne ihn losziehen. Er war von Gott bestimmt zum Führer in seinem westlichen Teil der Welt, und er wird sich dieses heilige Amt nicht aus der Hand winden lassen. Er kann sich Hilfstruppen zur Genüge verschaffen, auch ohne Aragon. Er braucht die Kreuzfahrer, die zu ihm stoßen, nur für wenige Monate, dann mögen sie die Fahrt ins Heilige Land fortsetzen. Wenn er nur zwanzigtausendMann hat außer seinem eigenen Heer, dann überrennt er den ganzen Süden des Andalús und dringt ins Afrika vor, ehe der Kalif sein Heer auch nur bereit hat. Und dann wird sich’s dieser Jakúb Almansúr zweimal überlegen, ehe er seine Ostgrenze entblößt.
Nur Geld muß er haben, Geld für einen Feldzug von mindestens einem halben Jahr, Geld, die Hilfsvölker zu lohnen.
Er befahl Jehuda zu sich.
Jehuda hatte, als der Kreuzzug ausgerufen wurde, schwere Sorge gespürt und gleichzeitig Erhebung. Da war nun der große
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