Die Juedin von Toledo
gebeten hatte.« – »Mein Vater und Ibn Omar«, entgegnete Raquel, »verstehen sehr viel mehr als ich von der Kunst des Bauens und Einrichtens.« – »Und gefällt dir die Galiana, so wie sie jetzt dasteht?« fragte Don Alfonso. »Sie haben dir ein herrliches Schloß gebaut«, antwortete voll ehrlichen Entzückens Raquel. »Es steht da wie einer der zauberhaften Paläste aus unsern Märchen.« Aus unsern Märchen, sagt sie, dachte der König. Immer ist sie die Fremde, und immer gibt sie mir zu verstehen, daß, wo sie ist, ich der Fremde bin. »Und ist alles so, wie du dir’s gedacht hast?« fragte er. »Dies oder jenes wirst du doch wohl auszusetzen haben. Willst du mir gar keinen Rat geben, nicht den kleinsten?« Leicht verwundert, doch unverlegen beschaute Raquel den ungeduldigen Mann. »Da du es befiehlst, Herr König«, sagte sie, »spreche ich. Mir gefallen die Spiegel nicht in diesen Wandelgängen. Es ist mir nicht lieb, mein Bild zu sehen und immer wieder mein Bild, und es ist ein wenig unheimlich, dich und den Vater und die Bäume und den Springbrunnen wirklich zu sehen und gleichzeitig im Bilde.« – »Nehmen wir also die Spiegel weg«, entschied der König. Ein etwas unbehagliches Schweigen war.
Sie saßen auf einer Steinbank. Don Alfonso schaute Raquel nicht an, aber er sah sie im Spiegelwerk der Arkaden. Er sah und prüfte. Er sah sie das erstemal. Sie war keck und nachdenklich, wissend und naiv, viel jünger als er und viel älter. Wenn man ihn vor zwei Wochen gefragt hätte, ob er während all der Zeit in Burgos an sie gedacht habe, hätte er’s ehrlichenGewissens verneint. Es wäre eine Lüge gewesen; sein Inneres hatte sich nicht von ihr befreit.
Sein Blick prüfte sie weiter im Spiegel. Ihr fleischloses Gesicht mit den großen, blaugrauen Augen unter dem schwarzen Haar sah freimütig aus, kindlich, aber sicher ging hinter der nicht hohen Stirn allerlei Verfängliches vor. Es war nicht gut, daß seine Seele nicht einmal in Burgos frei von ihr geblieben war. Alafia, Heil, Segen, grüßte es vom Tor seines neuen Schlosses, aber es war nicht gut, daß er dieses Schloß hatte errichten lassen. Don Martín hatte ihn zu Recht getadelt: die moslemische Pracht stand einem christlichen Ritter nicht an, schon gar nicht in dieser Zeit des Kreuzzugs.
Don Martín hatte ihm einmal erklärt, es sei eine läßliche Sünde, mit einem Weibsbild vom Troß zu liegen, weniger läßlich mit einer moslemischen Gefangenen, wieder weniger läßlich mit einer Dame von Adel. Mit einer Jüdin zu liegen, war sicherlich schwerste Sünde.
Doña Raquel, um das ungute Schweigen zu brechen, sagte, und sie versuchte, munter zu sein: »Ich bin neugierig, Herr König, welche Verse du für die Friese bestimmst. Sie erst werden dem Haus den rechten Sinn geben. Und wirst du lateinische Lettern befehlen oder arabische?«
Don Alfonso dachte: Wie frech und unverlegen sie ist, diese da, hochmütig, stolz auf ihre Klugheit und ihren Geschmack. Aber ich werde sie übermannen. Mag Don Martín sagen, was er will. Ich werde zuletzt ja doch in den Heiligen Krieg ziehen, und meine Sünden werden vergeben sein.
Er sagte: »Ich glaube, ich werde keine Verse auswählen, Dame, und werde nicht bestimmen, ob es lateinische Lettern sein sollen oder arabische oder hebräische.« Er wandte sich an Jehuda: »Laß mich zu dir so ehrlich sein, mein Escrivano, wie es Doña Raquel zu mir in Burgos gewesen ist. Was ihr da gemacht habt, ist sehr schön, und die Künstler und Kenner werden es loben. Aber mir gefällt es nicht. Das soll kein Vorwurf sein, beileibe nicht. Im Gegenteil, ich staune, wie gut und schnell ihr alles gemacht habt. Und wenn du mir vorhältst: sohast du mir’s aufgetragen, ich habe nur gehorcht, dann bist du im Recht. Ich sage es dir, wie es ist: damals, als ich dir die Weisung gab, stand mir der Sinn nach genau diesem. Aber inzwischen bin ich in Burgos gewesen, in meinem alten, strengen Schloß, in dem sich unsere Doña Raquel so unbehaglich fühlt. Nun, jetzt fühle ich mich hier unbehaglich, und ich glaube: auch wenn die Spiegel weg sind und wenn die schönsten Verse von den Wänden leuchten, werde ich mich nicht behaglich fühlen.«
»Das tut mir leid, Herr König«, sagte mit künstlichem Gleichmut Don Jehuda. »Es steckt viel Mühe und viel Geld in diesem Bau, und es bekümmert mich, daß ein gedankenloses Wort meiner Tochter dich verleitet hat, ein Haus zu bauen, welches dir mißfällt.«
Es war eine Anmaßung, dachte der
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