Die Juedin von Toledo
Francien nicht, sie werden sich selber nicht helfen können. Alfonso wird den Saladins-Zehnten dem Erzbischof übertragen und der Aljama ihre Rechte nehmen. Und sie werden sprechen: »Jehuda, dieser Meschummad, hat uns zugrunde gerichtet.« Und sie werden sprechen: »Ein Ibn Esra hat uns errettet, dieser Ibn Esra hat uns zugrunde gerichtet.«
Was sollte er tun?
Und Raquel wartete. Er spürte leibhaft, wie das Mädchen in der Sänfte neben ihm wartete. In seinem Herzen betete er das Gebet des großen Elends: O Allah, ich suche deine Hilfe inNot und Verzweiflung. Errette mich aus meiner Schwäche und Unschlüssigkeit. Hilf mir aus meiner eigenen Feigheit und Gemeinheit. Hilf mir aus der Unterdrückung der Menschen.
Dann sagte er: »Es ist uns eine schwere Entscheidung auferlegt, meine Tochter. Ich muß mit mir selber beraten, bevor ich mit dir rede.«
Raquel antwortete: »Wie du befiehlst, mein Vater.« Und in ihrem Innern sagte sie: Es wird gut sein, wenn du beschließest zu gehen, und es wird gut sein, wenn du beschließest zu bleiben.
In früher Nacht saß Don Jehuda allein in seiner Bibliothek im milden Lampenlicht und las in der Heiligen Schrift.
Las die Geschichte von der Opferung Isaaks. Gott rief: Abraham, und er antwortete: Hier bin ich, und bereitete sich, seinen einzigen geliebten Sohn zum Opfer zu schlachten.
Jehuda bedachte, wie ihm sein Sohn Alazar mehr und mehr entfremdet wurde. Diesen nämlich zog das ritterliche Wesen in der Königsburg übermächtig an, und er wandte sich ab von jüdischer und arabischer Weisheit und Sitte. Wohl ließen die andern Edelknaben den Judenjungen spüren, daß er ein Eindringling sei; doch es schien, als ob sein Verlangen, sich ihnen anzugleichen, durch ihren Widerstand nur wachse, und er fühlte sich gestützt durch die offenbare Gunst des Königs.
Es war genug, daß dieser Mann Alfonso ihm den Sohn wegnahm. Er sollte ihm nicht auch die Tochter wegnehmen. Jehuda konnte sich sein Haus nicht vorstellen ohne die kluge, heitere Gegenwart Raquels.
Und er rollte ein anderes Buch der Schrift auf und las von Jefta, welcher der Sohn eines Buhlweibes war und ein Räuber, den aber in ihrer Not die Kinder Israels zu ihrem Obersten und Richter machten. Und bevor er auszog gegen die Feinde, die Söhne Ammons, tat er ein Gelübde und sprach: Wenn du die Söhne Ammons in meine Hand gibst, Adonai, so soll dasjenige, was mir aus den Türen meines Hauses entgegenkommt, wenn ich heil zurückkehre, dir gehören, und ich willes darbringen als Opfer. Und als er gesiegt hatte über die Söhne Ammons, kam er zurück in sein Haus, und siehe, seine Tochter kam heraus ihm entgegen mit Pauken und im Reigen, und er hatte außer ihr keinen Sohn noch Tochter. Und es geschah, wie er sie sah, zerriß er seine Kleider und sprach: Ach meine Tochter, wie beugst du mich ins Unglück und bist unter meinen Verderbern. Und er tat nach seinem Gelübde, das er gelobt hatte.
Und Jehuda sah vor sich das dünne, blasse, düstere, erloschene Gesicht des Rabbi Tobia, und er hörte seine marklose und doch so eindringliche Stimme erzählen, wie da in fränkischen Gemeinden Vater den Sohn und Bräutigam die Braut geopfert hatte um des erhabenen Namens willen.
Was von ihm verlangt wurde, war ein anderes. Es war leichter und es war schwerer, die Tochter der Wollust dieses Christenkönigs preiszugeben.
Am nächsten Morgen ging Don Jehuda zu seinem Freunde Musa und sagte ihm ohne Umschweife: »Dieser Christenkönig will meine Tochter haben, um mit ihr zu schlafen. Er möchte ihr das Lustschloß La Galiana schenken, das er sich von mir hat bauen lassen. Ich muß fliehen, oder ich muß sie ihm ausliefern. Wenn ich fliehe, bedrängt er alle Juden, die in seiner Macht sind, und verloren ist die Zuflucht der vielen, die da verfolgt werden in den Ländern des Königs von Francien.«
Musa sah das Gesicht des andern und sah, daß er verstört war; denn vor seinem Freunde ließ Jehuda die Maske fallen. Und Musa sagte sich: Er hat recht. Wenn er sich nicht fügt, dann sind nicht nur er und sein Kind bedroht, auch ich bin es, und die Juden von Toledo sind es, und dieser fromme und weise und merkwürdig närrische Rabbi Tobia ist es, und alle diejenigen sind es, für welche Tobia spricht, und es sind sehr viele. Auch wird wohl wirklich, wenn Jehuda nicht mehr unter den Räten des Königs ist, der große Krieg früher ausbrechen.
Und Musa sagte sich: Er liebt seine Tochter und möchte ihr keinen Rat geben, der ihr nicht zum
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