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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Innern brennende, verwirrende Bilder gesehen.
    Auch die christlichen Ritter sprachen viel von der Liebe, von der »Minne«. Aber das waren leere, übertriebene Reden, es war Courtoisie, und ihre Liebesverse hatten etwas Steifes, Gefrorenes, Unwirkliches. Manchmal kam ihr wohl die Vorstellung, wie es wäre, wenn einer dieser in Eisen oder in schweren Brokat gekleideten Herren die Umhüllung abwürfe und einen umarmte. Es war eine Vorstellung, die ihr das Atmen schwer machte, aber gleich wieder erschien ihr alles lächerlich, und in diesem Lächerlichen verschwand das kitzelnd Verfängliche.
    Und da war nun dieser König. Sie sah seinen nackten, rasierten Mund inmitten des rotblonden Bartes, sie sah seine hellen, wilden Augen. Sie hörte, wie er sagte, nicht laut und trotzdem so, daß einem Ohr und Herz dröhnten: Ich will es! Sie war nicht feig, doch seine Stimme hatte ihr Furcht gemacht. Aber nicht nur Furcht. Sie ging einem durch unddurch, seine Stimme. Er befahl, und das war seine Art von Courtoisie, und wenn es keine zarte, edle Art war, so war sie doch sehr männlich und bestimmt nicht lächerlich.
    Und nun hatte er ihr befohlen: Liebe mich, und sie war erschüttert bis ins Herz ihres Herzens. Sie war der Dritte Bruder, da er vor der Höhle stand und nicht wußte, ob er aus dem hellen, sichern Tag in das mattgoldene Dämmer gehen sollte; in der Höhle war der Fürst der guten Geister, aber es war dort auch der Tod, der Vernichter aller Dinge, und wen wird der Dritte Bruder dort finden?
    Ihr Vater ritt neben ihr, gelassenen Gesichtes. Wie gut, daß sie ihren Vater hatte. Das Wort des Königs machte, daß sie nun ihr Leben ein zweites Mal von Grund auf wird ändern müssen. Der zu entscheiden hatte, war der Vater. Seine körperliche Nähe, sein freundlich aufmerksames Auge gab ihr Sicherheit.
    Don Jehuda aber, trotz seines ruhigen Gesichtes, war selber in einem Wirbel streitender Gedanken und Spürungen.
    Raquel, seine Raquel, seine Tochter Raquel, die zarte, kluge, blumenhafte, die sollte er diesem Menschen preisgeben!
    Don Jehuda war in islamischem Land groß geworden, wo Brauch und Gesetz es dem Manne gestatteten, mehrere Frauen zu haben. Die Nebenfrau genoß viele Rechte, eines großen Herrn Nebenfrau genoß wohl auch Ansehen. Aber niemand wäre auf den Einfall gekommen, ein Mann vom Range des Kaufmanns Ibrahim könnte seine Tochter irgendwem zur Nebenfrau geben, und sei es dem Emir.
    Don Jehuda selber hatte niemals eine Frau geliebt außer Raquels Mutter, die ein Unglücksfall, ein dummer Zufall, getötet hatte, sehr bald nachdem sie den Knaben Alazar gebar. Aber Don Jehuda war ein begehrlicher Mann, er hatte noch zu ihren Lebzeiten andere Frauen gehabt, und nach ihrem Tode viele; Raquel indes und Alazar hatte er diesen Frauen ferngehalten. Er hatte sich ergötzt mit Tänzerinnen aus Kairo und aus Bagdad, mit Huren aus Cádiz, die berühmt waren um ihrer Künste willen; oft aber hernach hatte er Überdruß gespürt, und immer hatte er in fließendem Wassergebadet, ehe er wieder vor das reine Gesicht seiner Tochter trat. Er konnte seine Raquel nicht dem rohen, rothaarigen Barbaren ausliefern, daß er sie beschlafe.
    Der Ruhm der Ibn Esras war, daß sie mehr zum Heil ihres Volkes getan hatten als irgendein anderes Geschlecht der sephardischen Juden, und wenn es um das Heil Israels ging, dann hatten diese Stolzen auch Demütigungen auf sich genommen. Aber es war ein anderes, sich selber, ein anderes, die Tochter zu erniedrigen.
    Jehuda wußte, dieser Alfonso duldete keinen Widerspruch. Er hatte nur die Wahl, ihm seine Tochter auszuliefern oder zu fliehen. Sehr weit fort zu fliehen, fort aus allen Ländern der Christenheit; denn überall würde die Leidenschaft des Alfonso ihn und sein Kind erreichen. Er mußte in ein fernes, östliches, moslemisches Land gehen, wo unterm Schutz des Saladin die Juden noch sicher saßen. Er mußte seine Kinder nehmen und fliehen, nackt und bloß, überdeckt nur mit Schulden; denn was er besaß, war festgelegt in den Ländern des Alfonso. Flüchtig und elend, so wie dieser Rabbi Tobia zu ihm kam, wird dann er nach Kassr-esch-Schama kommen, zu den reichen und mächtigen Juden Kairos.
    Aber selbst wenn er seinen Stolz aus dem Herzen riß und sein Inneres bereitete, Zusammenbruch, Armut und Exil auf sich zu nehmen: durfte er’s? Wenn er sein Kind vor der schimpflichen Vermischung rettete, dann wird sich Alfonsos Zorn gegen alle Juden kehren. Die Juden von Toledo werden den Brüdern in

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