Die Juliette Society: Roman (German Edition)
könnte Zahnpasta an Gebissträger verkaufen, Schuhe an Beinamputierte und Rentenversicherungen an Sträflinge in der Todeszelle. So gut ist er.
Und er wird auch dem Bild eines Politikers gerecht. Bob hat, was ich »Politikerhaare« nenne. So perfekt frisiert und glänzend, dass sie aussehen, wie mit einer Wackelpuddingform gemacht. Hin und wieder mag sich eine Strähne lösen, aber die Frisur an sich verliert niemals ihre Form. Sie wabbelt bloß manchmal ein bisschen.
Die nächste Einstellung zeigt eine Nahaufnahme, und ich habe das Gefühl, ich könnte jede Pore in Bobs glattem, gebräuntem, klar geschnittenem Gesicht erkennen. Er sieht ein bisschen aus wie Cary Grant, der allen Politikern offensichtlich als Modell für ihre Selbstwahrnehmung zu dienen scheint – weltmännisch, intelligent, sexy und einen Tick verletzlich. Ein Mann, so wie andere Männer gerne sein würden und den die Frauen einfach nur vögeln wollen.
Bob setzt zum Endspurt an, lässt den Killerspruch los, der den Wählern vermitteln soll, dass er ein echt verlässlicher Kerl ist, genau der Mann, von dem sie sich in Washington vertreten lassen wollen. Er redet davon, was er alles für den Bundesstaat tun wird, wenn er erst einmal gewählt ist. Er sagt: »Ich will, dass die Menschen in diesem Staat den echten Robert DeVille kennenlernen.«
Ich muss mich zusammenreißen, damit ich nicht laut loslache, denn niemand nennt ihn Robert. Alle nennen in bloß Bob. Es ist, als hätte er zwei Persönlichkeiten, eine für die Öffentlichkeit und eine für alles andere.
Bob verschwindet vom Bildschirm und der Schriftzug WÄHLEN SIE ROBERT DEVILLE erscheint. Eine Stimme verkündet, dass der Spot von irgendeiner Lobbygruppe finanziert wurde.
Sein Gesicht wird ersetzt durch das von Forrester Sachs, Jacks Lieblingsmoderator.
Was Jack an diesem Typen findet, weiß ich wirklich nicht, denn auf mich wirkt er bloß wie ein totaler Wichtigtuer. Doch wenn Jack zu Hause ist, verpasst er keine seiner Sendungen.
Forrester Sachs ist Robert DeVille ohne dessen Intellekt oder dessen Charme. Sein Name klingt wie ein Konzern.
Alles, was ich über die psychischen Störungen von Politikern gesagt habe, gilt für Nachrichtensprecher gleich doppelt. Nachrichtensprecher sind Kerle, die eigentlich gerne Politiker geworden wären, deren Geltungssucht sie jedoch daran hindert, sich mit irgendjemandem zu messen außer mit anderen Nachrichtensprechern. Und mit denen buhlen sie um mehr Sendezeit und bessere Einschaltquoten – also um all die Dinge, die in ihrem Leben wirklich wichtig sind.
Forrester Sachs moderiert die Nachrichtensendung mit den höchsten Einschaltquoten. Er ist ein Haifisch im Designeranzug mit kurz geschnittenem, grau meliertem Haar, einem so kantigen Kinn, dass es wirkt wie aus Stahl gegossen, und perfekt gezupften, geschwungenen Augenbrauen; ein Look, der all seine Schlüsselqualitäten vermittelt: Solidität, Ernsthaftigkeit, Jugendlichkeit und Weisheit. Er wirkt wie ein geschlechtsloser Roboter, der mit aller Pseudoseriosität, die er aufbringen kann, in die Kamera redet. Doch auf das, was nun aus seinem Mund kommt, bin ich absolut nicht vorbereitet.
Er sagt:
»Heute …
bei Forrester Sachs Presents …
widmen wir uns …
Bundy’s Got Talent …
der Website, die innerhalb weniger Monate drei junge Frauen in den Selbstmord getrieben hat …
und wir werfen einen Blick auf den Mann hinter dieser Website …
Bundy Tremayne …
den selbst ernannten Simon Cowell des Internetpornos.«
Mir fällt die Kinnlade herunter. Jetzt sitze ich auf der Sofakante, auch wenn ich mir nichts anmerken lassen darf. Denn ich habe Jack nichts von Bundy erzählt. Ihn noch nicht einmal erwähnt. Wenn er von Bundy wüsste, müsste ich ihm alles erzählen. Und selbst wenn ich ihm etwas verschweige, würde es wohl nicht lange dauern, bis er sich alles zusammengereimt hätte.
Im Hintergrund links von Forrester Sachs glattem, seltsam faltenfreiem Gesicht wird ein Polizeifoto von Bundy eingeblendet, das ein gewiefter Journalist wohl irgendwie in die Finger bekommen hat.
Woher, weiß ich nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihn wegen etwas Schlimmerem als Fahren unter Alkoholeinfluss oder Drogenbesitz drangekriegt haben, denn Bundy ist nur ein komischer Vogel, kein Schwerverbrecher. Auf dem Foto wirkt Bundy müde und etwas fertiger als sonst, vermutlich vom Alkohol, und seine Haare sind platt gedrückt.
Aber es geht ja nicht darum, wie er auf dem Foto wirklich
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