Die Juliette Society: Roman (German Edition)
damit er die Bilder aus dem Internet nahm, dann tat er das. Aber nur, wenn sie ihn dafür bezahlte.
Bundy steckt voller Überraschungen , hatte Anna gesagt. Das stimmt allerdings.
Fotograf. Pornoheini. Zuhälter. Erpresser. Allround-Arschgeige.
An diesem Punkt hat Jack genug. Er sagt »Dieser Typ ist ein echter Scheißkerl« mit einer solchen Schärfe, dass ich fast Schiss kriege, denn ich habe Jack noch nie so wütend erlebt. Ich wusste gar nicht, dass er so wütend werden kann. »Warum sehen wir uns diesen Dreck überhaupt an?«
Ich muss ihn daran erinnern, dass das seine Lieblingssendung ist.
Er möchte umschalten. Ich sage ihm, dass ich es zu Ende schauen will, weil Bundy ein Freund von Anna sei.
»Anna sollte sich ihre Freunde sorgfältiger aussuchen«, sagt er. »Hast du ihn mal getroffen?«
»Nein«, die Lüge kommt mir schnell über die Lippen, »aber sie hat von ihm erzählt.«
Wenn Jack nur die Hälfte der Wahrheit kennen würde. Wenn er wüsste, dass Bundy versucht hat, mich, seine Freundin, in eine Edelnutte zu verwandeln, dann würde er mehr tun, als bloß auf den Fernseher zu schimpfen und den Sender wechseln zu wollen.
Deshalb darf er es nie erfahren.
Ich wünschte, ich könnte wie Kirstin all meine Geheimnisse loswerden. Ich wünschte, ich könnte so mutig sein wie sie und die Karten auf den Tisch legen. Dann wäre alles viel unkomplizierter.
Die Fernsehleute haben Gil und Patty, Kirstins Eltern, aufgespürt, damit sie ihren Teil dazu sagen können. Gil ist Manager in der Ölbranche. Patty ist Hausfrau. Sie stehen zusammen in der Einfahrt ihres Anwesens und versuchen, Stärke zu demonstrieren, obwohl sie sich gerade in einer erbitterten Scheidungsschlacht befinden.
»Mein kleines Mädchen hätte das, was da behauptet wird, nie und nimmer getan«, sagt Gil. »Ich werde damit bis vor den Kongress ziehen. Das Internet muss endlich zensiert werden. Es muss von diesem ganzen Schmutz gesäubert werden und die Bilder, die dieser Perversling von meiner Tochter gemacht hat, müssen gelöscht werden.«
Er hält inne und kommt dann zu dem Schluss, dass seine Argumente noch nicht schlagkräftig genug waren, deshalb fügt er hinzu: »Damit sie ihr kleiner Bruder nie zu sehen bekommt.«
Es klingt nicht so, als wüsste Gil, was das Internet ist. Er ist ein Öl-Manager, der vollkommen den Anschluss an die reale Welt verloren hat, dessen Sekretärin seine E-Mails für ihn schreibt und ihm sogar den Computer anschaltet, den er sowieso nicht benutzen kann und der bloß rumsteht wie eine riesige, hässliche Plastikschreibtischlampe, die jede Menge Lärm macht.
Es ist, als hätte er eine grundlegende Sache über das Internet nicht verstanden: Ein dummer Fehler, und er verfolgt dich für immer.
Und Kirstin scheint das offenbar auch nicht gewusst zu haben – obwohl sie ungefähr achtzig Prozent ihres wachen Lebens damit verbracht hat, zu surfen, zu simsen, Nachrichten zu verschicken und Sachen hochzuladen – was auch der Grund dafür ist, wieso sie überhaupt erst in diesen Schlamassel geraten ist. Sie hat Bundy online kennengelernt und sich dann mit ihm in einer Bar verabredet. Der Rest ist Internetgeschichte.
Jetzt ist sie nicht länger Kirstin. Jetzt ist sie »Blonde Cocksucker #23« auf Dirty Rich Bitches . Allein während der zweiten Werbepause von Forrester Sachs Presents wird sie fünfzehn Millionen Mal angeklickt. Jetzt ist Kirstin zu einer Online-Wichsvorlage für mehrere Millionen schmieriger Typen geworden, die ihr Gesicht niemals mit einem Namen in Verbindung gebracht hätten, wenn Forrester Sachs ihnen diese schwere Arbeit nicht abgenommen hätte. Und nicht bloß in Amerika, sondern überall auf der Welt. Denn schon wird ihr Bild kopiert und auf Pornoblogs von Aserbaidschan bis zu den Cayman Islands gepostet. Damit ist nicht nur Bundy weltweit bekannt, auch seine Website erfährt einen solchen Ansturm, dass der Server vorübergehend überlastet ist und seine Werbeeinnahmen in schwindelerregende Höhen schnellen.
Das arme Ding ist tot und Bundy ist reich.
Das Leben ist so was von unfair. Das ist echt scheiße.
Aber Bundy ist abgetaucht. Er ist verschwunden, und niemand kann ihn finden. Und weil Forrester Sachs ihn nicht für ein Exklusivinterview bekommen kann, überreden die Produzenten seiner Sendung jemand anderen, für Bundy zu sprechen.
Bundys Mutter Charmaine.
»Nach der Werbeunterbrechung«, verkündet Sachs, »sprechen wir mit Bundy Tremaynes Mutter … und hören, was sie über
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