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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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mich eine große Ehre ist, wenn der Herr Oberst an meinesgleichen überhaupt das Wort richtet. Was er sagt, ist dann fast egal. Die Freude des Wiedersehens hat die gnädige Frau sozusagen von der Schwelle des Todes zurückgeholt. Ich hatte Gelegenheit, ihr Gespräch zu verfolgen. Nach den bewegten Begrüßungsworten hat die gnädige Frau dem Herrn Obersten eine Frage gestellt. Sie fragte: >Wo hast du die goldene Armbanduhr gelassen?< Der Herr Oberst hat ausführlich darauf geantwortet. Ich halte es nicht für passend, seine Antwort vor den jungen Herren, insbesondere vor dem jungen Herrn Tibor, zu wiederholen. Der junge Herr Lajos kam sofort heraus zu mir und beschwor mich, mit dieser guten Nachricht unverzüglich zu den jungen Herren zu eilen. Und er legte mir besonders ans Herz, daß ich den jungen Herrn Tibor an den Reitsattel erinnere.«
    Tibor beginnt zu lachen, wirft die Arme hoch und macht ein paar Schritte. »Mein Vater ist heimgekommen«, schreit er. »Ábel! Mein Vater ist da.« Er bleibt stehen, reibt sich die Stirn. »Aus, aus. Hörst du, Ábel?«
    Der Schuster sieht sich aufmerksam um. »Mein Sohn Ernő«, sagt er dumpf, »vermutlich ist er im Kreis seiner Lehrer.« Béla weist in den oberen Stock hinauf. Durchs Fenster sickert etwas Licht von einer Kerze.
    Tibor tritt zum Schuster hin. »Ihr Sohn Ernő ist ein Verräter«, sagt er leise. »Achten Sie auf ihn. Wissen Sie, was das Schicksal von Verrätern ist?«
    »Jawohl«, sagt der Schuster und nickt. »Die Kugel.«
     
    ~
     
    »Den Reitsattel«, ruft Béla. »Den Globus! Alles, was möglich ist!«
    Im Tal beginnt es schon zu dämmern. Der Schuster nimmt die Laterne und marschiert sicheren Schrittes voraus ins Haus. Er geht die Stufen hinauf wie einer, dem der Weg vertraut ist. Die Treppe knarrt und ächzt unter ihren Schritten. Er steuert geradewegs die Tür an, den langen Hirtenstock lehnt er an die Wand, die Laterne stellt er behutsam auf die Schwelle, dann öffnet er die Tür. Der Sohn des Schusters liegt mit dem Oberkörper auf der Tischplatte. Er trägt den gelben Frack und auf dem Kopf die flammendrote Perücke, die ihm der Schauspieler geschenkt hat. Er rührt sich nicht. Der Schuster bleibt einen Augenblick ruhig stehen, geht dann entschlossen, mit hinkenden Schritten, ins Zimmer, beugt sich hinunter und hebt die Pistole vom Boden auf, betrachtet sie aufmerksam und wirft sie auf den Tisch. Mit verblüffender Leichtigkeit nimmt er den Körper seines Sohnes hoch, hält ihn waagrecht auf seinen Armen, flüstert dann, über sein Gesicht gebeugt, mit einem vertraulichen und Nachsicht heischenden Lächeln: »Geruhen Sie, ihn anzusehen: Er spielt.«
    Er betrachtet das Gesicht noch einmal und schüttelt den Kopf: »Schon als Kind war er so. Er liebte das Komödienspiel.«
    Dann trägt er ihn zum Bett, legt ihn nieder und drückt ihm mit zwei Fingern die Augen zu, lächelt dabei verschmitzt, als wolle er kein Spielverderber sein.
    Aus Ábels Kehle bricht ein fürchterlicher Schrei hervor. Der Schuster humpelt zu ihm hin und hält ihm den Mund zu, drückt den zuckenden, vom Weinen geschüttelten Körper mit ungeahnter Kraft auf einen Stuhl und flüstert: »Wecken wir ihn nicht. Belieben Sie, den Reitsattel an sich zu nehmen. Es wäre angebracht, daß wir in der Stadt sind, bevor es ganz hell wird.«
    Er nimmt den Sattel und wirft ihn Tibor über die Schulter. Sieht sich um, reicht Béla den Globus. Seinen Stock und die Laterne gibt er Ábel und flüstert in zufriedenem Ton: »Wenn Sie die Güte hätten, vorauszugehen. Es dämmert zwar schon, doch der Weg ist voller Löcher.«
    Er nimmt den Körper seines Sohnes in die Arme und geht langsam mit ihm die Stufen hinab. Im Zwielicht stehen mit gelben Gesichtern die Pächter und das Hauspersonal. Als der Schuster mit dem Körper im Arm erscheint, weichen sie zurück.
    Mißbilligend legt er die Stirn in Falten: »Pst!« flüstert er und zwinkert. »Macht Platz.«
    Unbehelligt geht er über den Hof. Hinter ihm kommt Tibor mit dem Reitsattel, Béla trägt in beiden Händen den Globus, Ábel stolpert mit der Laterne des Schusters und mit dem Hirtenstock hinterher, der fast doppelt so hoch ist wie er. Der Schuster trägt den Körper mit festem Griff vor sich her, humpelt mit beharrlichen, schnellen Schritten, sie können ihm nur mit Mühe folgen. Bélas ängstliches Weinen geht in rhythmisches Schluchzen über. Am Rand des Gartens biegt der Weg ab, von hier sehen sie noch den erleuchteten Saal des Arabesque,

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