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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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die eines Fremden.
    »Bist du verrückt geworden?« fragt Tibor leise in verwunderter Bewegungslosigkeit.
    »Frag etwas anderes«, sagt Ernő. »Heraus damit! Hat er alles erzählt?« Seine Augen wandern hektisch umher, jeden Moment sieht er einen anderen starr an. »Seid ihr jetzt doch in die Höhle geraten? War es interessant, Prockauer? Und Ábel, du feines Bürschchen? Wie hat es dir gefallen?« Und als sie noch immer schweigen: »Ich mache euch darauf aufmerksam, daß mir alles völlig egal ist. Ihr könnt schreien, mir ins Gesicht spucken, mir ist auf dieser Welt schon alles egal.«
    Das Schweigen irritiert ihn. Verunsichert fährt er fort: »Ich war am Vormittag bei ihm oben, flehte ihn an, zu schweigen, diese ganze Sache aufzugeben … Glaubst du mir nicht? Aber das ist kein Mensch …«
    Nachdenklich hält er inne. Plötzlich scheint er zu erschlaffen. »Ich weiß gar nicht … Es gibt Menschen … Das ist das Verhängnis.«
    Er fängt sich sofort wieder. »Antun lasse ich mir nichts, ihr werdet mich nicht erniedrigen. Ich warne euch, auch wenn er alles erzählt hat, ich werde mich verteidigen, auch wenn ihr zu dritt seid, wenn die ganze Clique aufmarschiert, ihr die Stadt und das Militär aufbietet, ich verteidige mich. Ich werde euch ausliefern, wenn ihr mich nicht schont. Von Havas kann man lernen. Er ist nicht allein, ihr wißt das noch nicht, er hat viele Verbündete, kann gewissermaßen tun, was er will. Wen er sich herauspickt, der ist erledigt. Wahrscheinlich hat er euch etwas vorgelogen. Rührselige Geschichten erzählt. Oder? Und von mir … Was hat er von mir erzählt?«
    In seiner quälenden Ungeduld stampft er unbeherrscht auf den Boden und schreit mit dumpfer Stimme: »Warum sagt ihr nichts?«
    »Stimmt es?« fragt Tibor.
    Der Sohn des Schusters wirft den Kopf hoch: »Meine Frage lautet, was er gesagt hat.«
    »Daß du und Havas und der Schauspieler …«
    »Was?«
    Tibor setzt sich an den Tisch und stützt seinen Kopf in die Hände; mit sanfter Stimme: »Wenn ich mich hier so umsehe, kommt mir alles so vor, als hätte mich jemand für einige Zeit in Schlaf versetzt. Euch nicht?«
    Keine Antwort. Er wendet sich ruhig Ernő zu: »Havas behauptet, daß du ihn mehrmals besucht hast.«»Darauf antworte ich nicht«, sagt der Sohn des Schusters.
    »Aber das ist eine sehr wichtige Frage«, fährt Tibor gelassen, aber angeregt fort. »Doch wenn du nicht antworten willst … Es ist schließlich deine Angelegenheit. Was uns betrifft, das ist dein Verrat. Stimmt es, daß du Havas über uns berichtet hast? Stimmt es, daß du ihm alles erzählt hast, was wir besprochen und geplant haben, über dieses andere Leben hier, von dem niemand etwas wußte?«
    »Es stimmt«, antwortet Ernő scharf.
    Tibor nickt. »Gut. Und stimmt es, daß du und der Schauspieler … daß ihr gewissermaßen in Havas’ Auftrag gegen uns gearbeitet habt?«
    »Blödsinn«, sagt Ernő verächtlich. »Der Schauspieler ist ein eitler Affe. Was wußte der schon? Er war in Havas’ Hand, aber ganz anders als ich. Der Schauspieler arbeitete auf eigene Rechnung …«
    »Also dann, du?«
    »Ich.«
    »Was wolltest du? Warum, warum das Ganze? Was hast du dir davon versprochen, daß wir in diese Sache hinein
    gezogen werden? Was lag dir daran? Waren wir nicht deine Freunde?«
    »Nein«, sagt Ernő sehr laut.
    Sie schweigen und lauschen.
    »Gehörtest du nicht zu uns?« fragt Tibor leiser.
    »Nein«, sagt Ernő noch einmal. Und jetzt spricht auch er leiser und so artikuliert und schnell, als habe er sich darauf vorbereitet, als wäre sein Anliegen Wort für Wort wohl überlegt. »Nein, Prockauer, du warst nicht mein Freund. Und du, reicher Ruzsák, warst nicht mein Freund. Auch du nicht, feiner Bettler«, deutet er abschätzig mit dem Kopf in Ábels Richtung. »Ich war gern mit dir zusammen, Prockauer, wäre gern dein Freund gewesen, genauso wie diese hier. Ich will es dir jetzt sagen, weil ich es auch noch nicht lange weiß: Du hast etwas, was dir im Leben noch viele Probleme bereiten wird … irgend etwas, wofür du nichts kannst und was dich für die Menschen anziehend macht. Besonders für eine bestimmte Sorte Menschen. Ich konnte dein Freund nicht sein, weil du der warst, der du bist, und ich bin der Sohn meines Vaters und kann nicht aus meiner Haut schlüpfen. Ich wäre gern dein Freund gewesen, aber deine gütige Mutter gab mir schon vor Jahren, als ich das erste Mal nachmittags bei euch war, ein Paar Schuhe mit, damit ich sie Vater zum

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