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Die jungen Rebellen

Titel: Die jungen Rebellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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fiebrigem Ton. »Schau dich um. Das hier wird es nie wieder geben.«
    Sie gehen auf Zehenspitzen die Stiege hinunter. Ernő schließt die Reihe als letzter ab. Mit unverständlicher Ängstlichkeit, wie jemand, der sich in großer Gefahr wähnt, vielleicht in Lebensgefahr, bleibt er auf dem Weg hinunter in den Gastraum hinter ihnen. Er preßt die Ellbogen an den Körper, nimmt die Hände nicht aus den Taschen. Doch weder auf diesem kurzen Weg noch in späteren Stunden der Nacht spricht einer von den dreien mehr ein Wort mit ihm. Überrascht sind sie alle, als er später verschwunden ist und sie ihn suchen müssen.
     
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    In dem nach Bier riechenden langen Gastraum, den man für das Fest frisch geweißt hat, schlägt ihnen eine für diese immer noch frühe Stunde überraschend muntere und fortgeschrittene Stimmung entgegen.
    Am oberen schmaleren Ende der in Hufeisenform aufgestellten Tische sitzen Moravecz, Gurka und der Direktor. Eine Überraschung ist für die Eintretenden, daß zur Rechten des Direktors auch Kikinday Platz genommen hat. Zwischen dem Turn- und dem Zeichenlehrer sitzt der Magistratsnotar, ihm gegenüber sein Sohn, der ihr Klassenkamerad war und im Blickfeld seines Vaters stumm und mißtrauisch auf seinem Stuhl hin und her rutscht; von Zeit zu Zeit geht er in den Schankraum hinaus und kippt dort einen doppelten Branntwein; er ist dann gegen Mitternacht, zur größten Überraschung seines Vaters, der seinen Sohn den ganzen Abend kein alkoholisches Getränk hat anrühren sehen, mit allen Symptomen einer Alkoholvergiftung unvermutet zusammengesackt. In dem dadurch entstandenen allgemeinen Durcheinander gibt jemand das Zeichen zum Aufbruch. Der junge Mann wird auf eine Trage gelegt, und mit ihm zieht das Gros der Truppe ab.
    Alle, die noch geblieben sind, Kikinday, der Despot Gurka, der mit viel Würde selbst in dieser vertrauensseligen Stimmung die Distanz zu den ehemaligen Zöglingen zu wahren weiß, und Moravecz, rücken am oberen Tischende näher zusammen und gestatten, daß sich die Schüler, die zu dieser späten Stunde noch ausharren, zu ihnen setzen. Ernő hockt den ganzen Abend stumm neben dem wortkargen Gurka. Als die Clique und einige der sich hartnäckig weiter vergnügenden Klassenkameraden der Einladung von Moravecz zögernd folgen und sich zur weinseligen Gesellschaft begeben, steht er auf und verläßt den Gastraum.
     
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    Von dieser Maifeier 1918 wußten nicht nur die ungeschriebenen Chroniken des Gymnasiums noch viele Jahre zu berichten, sie blieb auch im Gedächtnis der Allgemeinheit eine der denkwürdigsten Maturafeiern der altehrwürdigen Lehranstalt.
    Die Herren hatten wegen der großen Hitze die Stadt schon in den frühen Nachmittagsstunden verlassen und sich, gemeinsam mit den ehemaligen Zöglingen, in den mit Lampions geschmückten schattigen Garten des Arabesque begeben; von dort trieb sie der Wolkenbruch ins Innere der Gaststätte.
    In dem ungelüfteten, muffigen Saal gelingt es im Verlauf des Gewitters auch den Mäßigeren, sich so schnell und heftig in Stimmung zu trinken, daß das eigentliche Bankett mit den Begrüßungsreden und der Speisenfolge im wortreichen Durcheinander des allgemeinen Frohsinns beinahe untergeht. Bei so großer Hitze hat der Alkohol bekannterweise eine wahrlich umwerfende Wirkung auf den Geist.
    Kikinday, der sich ganz besonders wohl fühlt, winkt jeden potentiellen Rekruten des Jahrgangs zu sich, befühlt seine Muskeln, richtet aufmunternde Worte bezüglich der verkürzten Grundausbildung an ihn und erinnert an den Einarmigen. »Es war der Einfall des Prockauer-Jungen«, wiederholt er hartnäckig. »Wo ist er eigentlich, der einarmige Prockauer?«
    Tibor teilt ihm einige Male im Namen der zweiarmigen Prockauers höflich mit, daß der Bruder vermutlich am Krankenbett seiner Mutter weile. Da sich die Auskunft spurlos aus dem Bewußtsein des beschwipsten Kikinday verflüchtigt und er einige Minuten später erneut und störrisch den einarmigen Prockauer zu reklamieren beginnt, verstummt Tibor. Untereinander kommen sie zu der Vermutung, daß Lajos wahrscheinlich das schlechte Wetter abgehalten hat. Bei jedem Gewitter wirft er sich aufs Bett und vergräbt den Kopf in die Kissen.
    »Es kann auch etwas anderes sein«, meint Ábel beunruhigt.
    Tibor tut, als höre er es nicht. Nach Mitternacht, als sich der Saal leert, beginnen sie mit einer trotzigen Sauferei.
    Wirklich geübt sind sie nicht im Trinken, und Ábel, der hohes Fieber hat, verhält sich,

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