Die Jungfernbraut
gewußt, daß Sie mich heiraten wollen.«
»Nein, ehrlich gesagt war ich mir in jedem Moment noch nicht ganz sicher, daß ich Sie heiraten wollte. Ich dachte einfach, daß ich Sie für den Rest meines Lebens anschauen könnte.«
Er mußte zugeben, daß sie wirklich entwaffnend war. »Bevor ich Sie wiedersehe — falls ich Sie wiedersehe —, möchte ich, daß Sie lernen, sich ein wenig zu verstellen. Nicht sehr, Gott bewahre, nur so, daß mir nicht ständig wegen Ihrer gewagten Bemerkungen der Unterkiefer herunterklappt.«
»Ich werd's versuchen.« Sinjun ließ ihren Blick flüchtig über den dichten grünen Rasen und die vielen Reitwege schweifen, die den Park unterteilten. »Glauben Sie, daß ich eventuell hübsch genug für Sie sein könnte? Ich weiß, daß Sie das mit der Attraktivität bisher nie ernst gemeint haben, und ich will nicht, daß Sie sich meiner schämen müssen, falls ich Ihre Frau werden sollte.«
Sie blickte ihm in die Augen, und er konnte über sie nur den Kopf schütteln. »Hören Sie mit diesem Unsinn auf! Verdammt, Sie sind sehr hübsch, und das wissen Sie zweifellos.«
»Die Menschen lügen und raspeln Süßholz, wenn sie es mit einer reichen Erbin zu tun haben. Ich bin nicht so naiv, alle Komplimente für bare Münze zu halten.«
Er sprang vom Pferd, schlang sich die Zügel um ein Handgelenk und ging auf eine dicht belaubte Eiche zu. »Kommen Sie her. Wir müssen uns unterhalten, wenn ich mich nicht freiwillig ins Irrenhaus begeben soll.«
Das ließ sich Sinjun nicht zweimal sagen. Welche Wonne, dicht neben ihm stehen zu können!
Sie betrachtete das Grübchen in seinem Kinn, hob die Hand, streifte ihren Handschuh ab und strich mit einer Fingerspitze zärtlich über diese Vertiefung. Er stand völlig regungslos da.
»Ich werde Ihnen eine sehr gute Ehefrau sein. Versprechen Sie mir, daß Sie nicht den Charakter eines Trolls haben?«
»Ich liebe Tiere und gehe nicht auf die Jagd. Ich habe fünf Katzen, ausgezeichnete Rattenfänger, und nachts haben sie die Ofenbank ganz für sich allein. Und wenn es sehr kalt ist, schlafen sie sogar mit mir im Bett, allerdings nicht oft, weil ich unruhig schlafe. Wenn Sie aber wissen wollten, ob ich Sie schlagen würde, so lautet die Antwort: nein.«
»Man sieht Ihnen an, daß Sie sehr stark sind. Es gefällt mir, daß Sie Schwächeren nichts zuleide tun. Fühlen Sie sich für die Menschen verantwortlich, die von Ihnen abhängig sind?«
Zu seiner eigenen Verwunderung konnte er den Blick nicht von ihr wenden. »Ich glaube schon.«
Er dachte an seine riesige Burg, die allerdings nicht aus dem Mittelalter stammte, sondern im ausgehenden siebzehnten Jahrhundert von einem Kinross an den ursprünglichen Tudorbau angebaut worden war. Er liebte diese Burg mit ihren Türmen, Zinnen, Schießscharten und Schutzwällen, aber sie war teilweise so baufällig und zugig, daß man sich eine Lungenentzündung holen konnte, wenn man auch nur zehn Minuten an einer Stelle stand. Soviel Reparaturen wären nötig, um sowohl sie als auch den Tudorflügel in neuem Glanz erstrahlen zu lassen! Und dann all die Nebengebäude und Ställe, das Ackerland und die dezimierten Schaf- und Rinderherden, und seine vielen Pächter, die in äußerster Armut dahinvegetierten und nicht einmal genügend Korn für das tägliche Brot hatten ... Die Zukunft war so furchtbar düster und hoffnungslos, wenn er nicht schnell handelte!
Er wandte seinen Blick von dem Mädchen ab und starrte zu den Silhouetten der imposanten Stadthäuser hinüber, die den Hyde Park begrenzten. »Mein Erbe wurde größtenteils von meinem Vater durchgebracht, und mein älterer Bruder, der sechste Earl, hat dann bis zu seinem frühen Tod auch noch den letzten Rest des Vermögens verschleudert. Ich brauche sehr viel Geld, denn andernfalls wird meine Familie auf milde Gaben angewiesen sein, und viele meiner Pächter werden emigrieren müssen oder Hungers sterben. Ich lebe in einem alten Schloß östlich des Loch Leven, auf der Halbinsel Fife, nordwestlich von Edinburgh. In Ihren Augen wäre es bestimmt ein wildes Land, obwohl es viele sanfte Hügel und genügend Ackerboden gibt. Sie sind Engländerin, und Sie würden nur die öden Hochebenen und die zerklüfteten Felswände und die Schluchten mit ihren tosenden Wildbächen sehen, deren Wasser so kalt ist, daß man blaue Lippen bekommt, wenn man davon trinkt. In den Wintermonaten ist es gewöhnlich nicht allzu kalt, aber die Tage sind kurz, und gelegentlich gibt es
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