Die Jungfernbraut
einmal verheiratet warst, obwohl du noch so jung bist, sondern daß du ihr etwas zuleide getan haben könntest. Unsinn! Wo hat Douglas denn diese lächerliche Geschichte gehört?«
»Er hat einen anonymen Brief erhalten.«
»Da haben wir's ja! Jemand ist eifersüchtig auf dich, oder aber, jemand hat einfach eine Wut auf dich, weil du so attraktiv bist und einen so kühnen Vorstoß in London unternommen hast. Ich werde mit Douglas reden und ihn auf diese Fährte bringen.«
»Nein.«
Sie hörte aus diesem einen Wort seine Entschlossenheit heraus und wartete wieder schweigend ab, obwohl Geduld normalerweise nicht ihre stärkste Seite war.
Schließlich wurde sie belohnt, denn er blickte ihr direkt in die Augen und sagte langsam: »Wenn du mich wirklich heiraten willst, müssen wir noch in dieser Nacht aufbrechen. Wir werden in Schottland am Amboß heiraten, aber nicht in Gretna Green, denn dort würde dein Bruder uns zuerst suchen. Und dann werden wir in meinem Haus in Edinburgh Zwischenstation machen und uns kirchlich trauen lassen.« So, nun hatte er den Rubikon überschritten. Er wußte genau, daß er sich unehrenhaft verhielt, aber ihm blieb einfach keine andere Wahl, und Joan hatte sich ihm auf dem sprichwörtlichen Präsentierteller dargeboten.
Sie schwieg sehr lange, aber als sie dann endlich redete, konnte er sich erleichtert in die Kissen sinken lassen. »Über deinen Vorschlag brauchte ich nicht lange nachzudenken, Colin, aber ich mußte Pläne schmieden. Wir können es schaffen. Das einzige, was mir Sorgen macht, ist, daß du noch nicht bei vollen Kräften bist, aber es wird schon irgendwie gehen. Ich werde mich um alles kümmern. Um Mitternacht brechen wir auf.« Sie stand auf und schüttelte ihre Röcke zurecht. »Das wird meinen Bruder sehr verletzen, aber es geht um mein ganzes Leben, und da muß ich selbst entscheiden, was für mich das Beste ist. O Gott, es gibt noch soviel zu tun! Aber mach dir keine Sorgen. Du mußt dich jetzt ausruhen und Kräfte sammeln.« Sie küßte ihn, doch bevor er irgendwie reagieren konnte, eilte sie schon auf die Tür zu, mit so langen Schritten, daß ihr Kleid sich um Gesäß und Schenkel straffte. Den Türknopf in der Hand, drehte sie sich noch einmal um. »Douglas ist nicht dumm. Er wird sofort wissen, was wir Vorhaben, und unsere Verfolgung aufnehmen, aber ich werde eine Route wählen, auf die er nicht kommt. Nur gut, daß ich so sparsam bin und über zweihundert Pfund gespart habe. Sobald wir verheiratet sind, wird Douglas gar nichts anderes übrigbleiben als dir meine Mitgift auszuzahlen, und dann wirst du nicht mehr befürchten müssen, deinen ganzen Besitz zu verlieren. Wir werden ihm klarmachen, daß du das Geld sehr schnell benötigst. Es tut mir wirklich leid, daß dieser verdammte anonyme Brief dir soviel Ungelegenheiten bereitet, Colin. Manche Leute sind die reinsten Teufel.« Sie verschwand, und er hätte schwören können, daß er sie pfeifen hörte.
Er hatte es geschafft. Gegen alle Wahrscheinlichkeit hatte er gewonnen, und schließlich war es Joan gewesen, die sich diese Heirat von Anfang an in den Kopf gesetzt hatte. Trotzdem machte sein Gewissen ihm schwer zu schaffen. Obwohl er Joan erst kurze Zeit kannte, zweifelte er keine Sekunde daran, daß sie genau um Mitternacht in einer sehr bequemen Kutsche aufbrechen würden, und daß es ihrem Bruder verdammt schwerfallen würde, ihnen auf die Spur zu kommen. Es würde ihn nicht einmal wundern, wenn Joan zwei Grauschimmel für die Kutsche auftrieb. Er schloß die Augen, öffnete sie aber sofort wieder. Um möglichst schnell wieder zu Kräften zu kommen, mußte er seinen Teller leer essen.
Meine Brüder werden mich umbringen, dachte Sinjun, während die geschlossene Kutsche durch die Nacht auf die Straße nach Reading zurollte. Colin schlief erschöpft neben ihr. Sie küßte ihn leicht auf die Wange, aber er reagierte nicht darauf. Gott sei Dank ging sein Atem leise und gleichmäßig, und er hatte auch keine Alpträume mehr. Es wunderte sie noch immer, daß die Krankheit ihn so geschwächt hatte, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Er würde bald wieder ganz gesund sein, um so mehr, als jetzt nur noch sie allein ihn pflegen würde. Zärtlich hüllte sie ihn noch fester in die Decken.
Sie liebte ihn so sehr, daß es fast schmerzte. Niemand würde sie je entzweien können, und niemand würde Colin je wieder etwas zuleide tun. Es ist mein Leben, dachte sie wieder, nicht das von Douglas oder Ryder oder
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