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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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wollte ihn nicht auf wecken. Sie würden noch genügend Gelegenheit zum Küssen haben, ein Leben lang. Wenn sie Schottland erreichten, würde sie keine Jungfrau mehr sein. Das hatte sie sich fest vorgenommen. Ein Mädchen konnte nicht mit einem Mann durchbrennen und unberührt bleiben. Sie würde schon dafür sorgen, daß er sie berührte, und die Trauung in Schottland würde dann nur noch eine reine Formalität sein.
    Sie schob eine Hand unter die Decke und griff nach seiner Hand, einer schlanken, aber sehr kräftigen Hand. Unwillkürlich mußte sie an seine tote Frau denken. Sie hatte ihm keine Fragen gestellt und würde es auch in Zukunft nicht tun. Wenn er wollte, würde er ihr aus eige-nem Antrieb mehr über seine erste Frau und ihren Tod erzählen. Wie sie wohl geheißen hatte?
    Sie fragte sich auch, ob sie ihm je gestehen würde, daß ihr Bruder mit ihr über den anonymen Brief gesprochen hatte, lange bevor sie Colin aufgesucht hatte. Sie hatte den Brief sogar zweimal gelesen und danach eine kurze Diskussion mit Douglas geführt, weil sie genau wußte, daß er mißtrauisch würde, wenn sie ihm überhaupt nicht widerspräche. Schließlich hatte sie ihm aber zugestimmt, daß die Hochzeit aufgeschoben werden müsse, bis diese Mordbeschuldigung aufgeklärt war. Währenddessen war sie aber schon fest entschlossen gewesen, gleich in der nächsten Nacht mit Colin durchzubrennen. Vielleicht würde Colin eines Tages herausfinden, daß sie ihn geschickt manipuliert hatte, bis er endlich mit dem Vorschlag einer Entführung herausrückte — eines Tages in ferner Zukunft.
    Es war wirklich ein Jammer, daß sie ihre Zunge im Zaume halten mußte, obwohl sie am liebsten mit der Wahrheit herausgeplatzt wäre. Aber sie wußte genau, daß die Vorstellung, sie könnten manipuliert werden, allen Männern verhaßt war. Allein schon der Gedanke, daß eine Frau sie am Gängelband führen könnte, brachte Männer in Rage. Sie würde seinen männlichen Stolz schonen, zumindest bis er wieder ganz gesund war. Vielleicht auch, bis er sie gern haben würde. Aber wann würde das sein? Einen Augenblick lang sah sie die Zukunft in weniger rosigem Licht als sonst.

KAPITEL 5
    »Wir fahren nur bis Chipping Norton, zum White Hart«, sagte Sinjun, als Colin aufwachte. »In einer Stunde werden wir dort sein. Wie fühlst du dich?«
    »Verdammt müde.«
    Sie tätschelte seinen Arm. »Ich kann mir vorstellen, daß du nicht einfach müde, sondern völlig erschöpft bist. Kein Wunder, nachdem wir uns so beeilen und herumschleichen mußten. Aber du wirst mit jedem Tag kräftiger werden. Mach dir keine Sorgen. Wir werden Schottland in frühestens sechs Tagen erreichen. Du hast also noch viel Zeit, dich zu erholen.«
    Weil es in der Kutsche dunkel war, konnte Sinjun seine irritierte Miene nicht sehen. Er fühlte sich hilflos und seiner Manneskraft beraubt, wie ein kleines Kind in der Obhut einer Amme, nur daß seine Amme erst neunzehn war.
    »Warum in aller Welt hast du ausgerechnet den White Hart ausgesucht?«
    Sie kicherte. Für eine Amme ein unerwartetes Verhalten, dachte Colin überrascht. »Wegen der Geschichten, die Ryder und Douglas unserem tugendhaften Tyson erzählt haben, der als angehender Geistlicher natürlich schockiert war. Und Ryder und Douglas haben sich schiefgelacht.«
    »Und keine von ihnen kam auf die Idee, daß ihre kleine Schwester lauschte?«
    »O nein«, grinste sie. »Sie hatten keine Ahnung. Weißt du, schon mit sieben beherrschte ich diese Kunst ganz gut. Aber du scheinst selbst alles über den White Hart zu wissen — daß die jungen Herren von Oxford sich dort mit ihren Freundinnen vergnügen.«
    Colin schwieg.
    »Denkst du an deine eigenen Verabredungen?«
    »So ist es. Die Frau eines Professors hat sich dort gern mit mir getroffen. Sie hieß Matilda, und ihr blondes Haar war fast weiß. Und dann die Kellnerin vom Flaming Dolphin in Oxford. Sie war wild und unersättlich und liebte die Federbetten im White Hart. Dann gab es noch Cerisse — ein erfundener Name, aber das störte niemanden. Ah, ihre rote Haarmähne war einfach hinreißend.«
    »Vielleicht werden wir zufällig dasselbe Schlafzimmer bekommen wir ihr damals. Oder sollen wir lieber den ganzen Gasthof mieten, damit es auf jeden Fall dabei ist? Sozusagen als symbolische Geste, als Erinnerung an die Zeit, als du dir die Hörner abgestoßen hast.«
    »Du bist eine sehr ungehörige Jungfrau, Joan.«
    Sie betrachtete ihn aufmerksam. Der Mond war endlich hinter dichten

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