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Die Jungfernbraut

Titel: Die Jungfernbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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nicht. Du hast es nur erfunden, weil du ein Mädchen bist und dich vor allem und jedem fürchtest.«
    »Und Jungen fürchten sich nicht vor Gespenstern?«
    Er schien einer Ohnmacht nahe, reckte aber energisch das Kinn und schnaubte verächtlich. »Natürlich nicht.«
    »Erinnerst du dich noch, daß ich auch von der Jungfräulichen Braut erzählt habe — dem Geist von Northcliffe Hall?«
    »Ja, aber ich habe dir nicht geglaubt.«
    »Es gibt sie wirklich, aber« — Sinjun holte tief Luft —, »aber sie ist nicht hier in Vere Castle. Soviel ich weiß, hat sie Northcliffe Hall noch nie verlassen, obwohl ihr Schottland vielleicht ganz gut gefiele.«
    Philip wollte nach der Duellpistole greifen, aber Sinjun fiel ihm in den Arm. »Nein, Philip, sie ist nicht hier. Komm mit, ich muß dir etwas zeigen.«
    Er folgte ihr mißtrauisch.
    »Das ist doch Papas Schlafzimmer.«
    »Ich weiß. Komm herein.«
    Sie entließ Emma, die den schweren Kleiderschrank abstaubte, und sobald sie mit Philipp allein war, öffnete sie die Schranktüren und kramte aus der hintersten Ecke eine Hutschachtel hervor.
    »Hier, Philip.«
    Sie zog die langhaarige Perücke und das weiße Kleid heraus.
    Er erbleichte noch mehr und wich entsetzt zurück.
    »Nein, es ist nur ein Kostüm. Ich habe die Perücke aus Rohwolle und Ziegenhaar gemacht. Dahling und du, ihr habt versucht, mich mit eurer Perlen-Jane-Vorstellung zu erschrecken, die übrigens wirklich gelungen war. Beim ersten Mal bin ich vor Angst fast gestorben. Na ja, und da beschloß ich, mich zu rächen. Ich habe dich nachts besucht, nach eurer letzten Vorstellung.«
    Er starrte sie an. »Du warst der Geist, der mich am Nacken berührte und verlangte, ich solle Sinjun in Ruhe lassen?«
    »Ja.« Sie hätte ihm gern gesagt, daß es ihr sehr leid tat, ihn so erschreckt zu haben, aber sie wußte, wie ein stolzer Junge darauf reagieren würde.
    »Warum nennt Papa dich Joan?«
    Sie kicherte. »Er findet, daß Sinjun sich nach einem Männerspitznamen anhört, und das stimmt auch, aber ich werde seit Jahren von allen so genannt, und mir gefällt dieser Name. Möchtest du mich Sinjun nennen?«
    »Ja, das hört sich nicht nach einem albernen Mädchen an, auch nicht nach . . .«
    »Nach einer bösen Stiefmutter?«
    Er nickte, den Blick immer noch auf Perücke und Kleid gerichtet.
    »Woher hast du gewußt, daß es Dahling und ich waren und nicht Perlen-Jane?«
    »Der Schlamm war ein bißchen zuviel des Guten, ich meine, in Verbindung mit den Ketten, dem Stöhnen und Kratzen hinter der Wandtäfelung. Man darf nie übertreiben. Außerdem habe ich mich am nächsten Morgen sicherheitshalber bei Dulcie erkundigt, und sie hat mir berichtet, daß du mit Crocker in Richtung des Sumpfes geritten bist.«
    »Oh . . .«
    »Du brauchst die Duellpistole wirklich nicht, Philip.«
    »Aber ich könnte gut damit umgehen und würde dich bei jedem Wettschießen schlagen.«
    Kleine Jungen waren wirklich köstlich, dachte sie, und aus kleinen Jungen wurden Männer, die sich in dieser Hinsicht nie änderten. »Kannst du fechten?«
    »Nein«, mußte er kleinlaut zugeben. »Papa hat es mir noch nicht beigebracht.«
    »Nun, dann könnten wir es vielleicht zusammen lernen. MacDuff hatte versprochen, uns bald wieder zu besuchen. Vielleicht kann er uns Unterricht geben, wenn dein Vater bis dahin noch nicht zu Hause ist.« »Kannst du auch wirklich mit Pfeil und Bogen umgehen?«
    »Ja.«
    »Im Südturm gibt es eine alte Waffenkammer mit allem möglichen, auch Schwertern und Bogen. Crocker pflegt die Waffen. Das ist sein Hobby.«
    »Möchtest du das Bogenschießen erlernen?«
    Er nickte langsam, wobei sein Blick wieder zu Perücke und Kleid schweifte. »Mir gefällt der Name Sinjun. Joan hört sich nach einem Cockerspaniel an.«
    Sie lachte. »Du sagst es.«
    MacDuff trat am nächsten Nachmittag ein und fand Sinjun und Philip im Obstgarten, wo sie mit zweihundert Jahre alten Armbrüsten trainierten, die großartig in Schuß waren.
    Crocker saß auf einem Zaun und schnitzte neue Pfeile, und sein Hund lag ihm zu Füßen.
    Beim Anblick des Riesen sprang George II auf und bellte wild los.
    »George, alter Junge, sitz!«
    Für einen Hund, der den Namen eines Königs trug, war George II sehr folgsam. Er ließ sich wieder zu Füßen seines Herrn nieder, legte den Kopf auf die Pfoten und wedelte mit dem Schwanz.
    Sinjun hatte das Bellen gehört, drehte sich aber nicht um. »Ja, Philip, diese Haltung ist ausgezeichnet... Richtig, direkt unter die

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