Die Jungfernbraut
Handrücken den Mund ab.
»Warum ist Colin nicht glücklich?«
»Ich glaube, er hat Schuldgefühle.«
»Zu Recht. Ich bin hier und er nicht, und dann ist da noch eine andere Sache — Robert MacPherson . . .« Sie verstummte hastig und hätte sich ohrfeigen mögen. Colin würde sofort angaloppiert kommen, um sie zu beschützen, und dadurch würde er sein eigenes Leben in Gefahr bringen. Nein, sie mußte mit MacPherson allein fertig werden.
»Was ist mit MacPherson?«
Sie setzte eine Unschuldsmiene auf. »Ich mache mir Gedanken, was Colin wohl in bezug auf den Mann unternommen hat.«
»Bisher gar nichts. Der Kerl ist untergetaucht. Colin besucht gelegentlich den alten MacPherson, und der hat ihm erzählt, daß Robert versucht, ihn noch zu seinen Lebzeiten hinter seinem Rücken zu entmachten. Und Colin befindet sich in einem inneren Zwiespalt, weil er den Alten gern hat, trotz Robert und Fiona.«
»Er wird schon einen Ausweg finden«, sagte sie kurz angebunden und blickte zu den Gerstenfeldern hinüber. »Es hat seit drei Tagen nicht geregnet. Wir brauchen Regen.«
»Nur keine Sorge, in dieser Gegend gibt es immer genug Regen. Die Halbinsel Fife ist mit ihrem milden Klima das reinste Paradies für die Landwirtschaft. Colin kann sich wirklich glücklich schätzen, soviel fruchtbaren Boden zu besitzen. Ein Großteil von Schottland besteht aus kahlen Felsen und öder Heide, und Colins Vorfahren hatten großes Glück, sich hier niederlassen zu können, anstatt in den Highlands oder in den Grenzgebieten.«
»Ich bezweifle, daß die ersten Kinrosses es sich aussuchen konnten, in welchem Teil von Schottland sie leben wollten. Wer sind diese Ashcrofts, MacDuff?«
Er lächelte. »Freunde meiner Eltern. Es war ein längst überfälliger Besuch.«
»Wie der bei uns. Ich freue mich wirklich, daß du hier bist.«
»Ich möchte alles sehen, was du hier verändert hast. Was hält Colin eigentlich von deinen ganzen Verbesserungen?«
»Nicht sehr viel.«
»Hoffentlich hat er deine Gefühle nicht verletzt.«
»Doch, aber das weißt du wahrscheinlich schon.«
»Vielleicht. Du mußt versuchen, ihn zu verstehen, Sinjun. Seit er ein kleiner Junge war, wurden ihm immer wieder Dinge weggenommen, die ihm gehörten, und deshalb hat er gelernt, sie zu verstecken und zu hüten. Aber auch das hat manchmal nichts genützt. Du weißt ja, daß er der zweite Sohn war, und wenn Malcolm, der Erstgeborene, Anspruch auf Colins Sachen erhob, bekam er sie auch. Ich erinnere mich noch gut an Colins Versteck, wo er seine Schätze aufbewahrte, nichts Wertvolles, verstehst du, aber Sachen, die ihm gehörten und die ihm viel bedeuteten, und die Malcolm ihm zweifellos weggenommen hätte, da er alles haben wollte, was Colin gehörte. Deshalb bewahrte Colin seine Schätze in einer kleinen Holzschatulle auf, die er im Astloch einer alten Eiche versteckte. Nur wenn er genau wußte, daß Malcolm nicht zu Hause war, ging er zu der Eiche. Vielleicht erklärt das, warum er solchen Wert darauf legt, alle Anordnungen selbst zu treffen. Vere Castle gehört jetzt ihm, und was ihm gehört, das hütet er eifersüchtig.«
»Ich verstehe«, murmelte Sinjun, aber das stimmte nicht ganz. Schließlich war Colin jetzt kein Junge mehr, sondern ein Mann.
»Es hat ihn zermürbt, daß kein Geld vorhanden war, um Vere Castle wieder zu dem Stammsitz zu machen, der er war, aber jetzt kann er es wahrscheinlich nur schwer hinnehmen, daß du die Retterin in der Not bist.«
»Warum haßt Tante Arleth ihn eigentlich so?«
»Sie ist eine alte Hexe, und ihre Gedankengänge entziehen sich jeder vernünftigen Prüfung. Malcolm war immer ihr Liebling, warum, weiß ich auch nicht. Vielleicht weil er der zukünftige Graf war und sie sich seine bleibende Zuneigung sichern wollte. Colin behandelte sie wie ein völlig bedeutungsloses Zigeunerbalg. Ich weiß noch, wie sie Malcolm über Colins Liebe zur Poesie informierte, die er von seiner Mutter geerbt hatte, und wie Malcolm seinem Vater weismachte, daß auch er Gedichte liebe und deshalb Colins Buch wolle. Nun, er bekam es natürlich.«
»Aber das war ungerecht!«
»Vielleicht, aber für den Grafen lag das zukünftige Schicksal der Kinrosses in Malcolms Händen, und deshalb wurde dem Erstgeborenen nichts abgeschlagen. Das hat natürlich seinen Charakter ruiniert. Außerdem haßte Arleth ihre Schwester, aus dem ganz einfachen Grund, weil sie den Grafen für sich selbst haben wollte. Angeblich hat sie ihn nach dem Tod ihrer Schwester
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