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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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drehte ihn an seinen Haaren herum. »Was treibt ein Vögelchen wie du um diese Zeit hier draußen?«
    Yves versuchte loszukommen, merkte aber schnell, daß das keinen Zweck hatte. Seine Würde verbot es ihm, sich zu winden oder zu betteln. So hielt er unter dem Zugriff der großen Hand still und sagte mit glaubwürdiger Festigkeit: »Laßt mich los! Ihr tut mir weh. Ich habe Euch noch nichts getan!«
    »Vorwitzigen Vögelchen dreht man den Hals um«, sagte einer und vollführte mit kräftigen, schmutzigen Händen die Geste des Wringens, »Besonders wenn sie mit dem Schnabel hacken.«
    Der berittene Anführer des Zuges hatte angehalten und sah zurück. Mit lauter, gebieterischer Stimme rief er: »Wen habt ihr da gefangen? Bringt ihn her und laßt ihn mich ansehen! Ich will nicht, daß Späher uns in der Stadt verraten.« Gehorsam packten sie Yves und zerrten ihn dorthin, wo das größte der drei Pferde stand. Das Tier war fast ganz weiß und deutlich zu erkennen, von dem Mann auf seinem Rücken jedoch war nur ein hoch aufragender, schwarzer Schatten zu sehen. Als er sich bequemer im Sattel zurechtsetzte, um den Gefangenen besser betrachten zu können, fiel ein verirrter Strahl des trügerischen Zwielichts auf die Ringe seines Kettenhemds und wurde mit kleinen Lichtblitzen reflektiert. Abgesessen mochte er nicht sehr groß sein, aber die Breite seiner Schultern und die Löwenmähne, die seinen Kopf bedeckte und sich in einem buschigen Bart fortsetzte, der ihm auf die Brust hing, ließen ihn riesig wirken. Es sah aus, als sei er mit seinem Pferd verwachsen, so daß beide einen einzigen, gewaltigen Körper zu bilden schienen. Seine Erscheinung war um so furchterregender, als sein Gesicht nur ein dunkler Fleck war, von dem sich nichts ablesen ließ.
    »Bringt ihn näher«, befahl er ungeduldig. »Stellt ihn hierher, an mein Knie, damit ich ihn besser sehen kann!«
    Kräftige Hände rissen Yves' Kopf an den Haaren zurück. Er richtete sich auf, biß die Zähne zusammen und starrte schweigend hinauf zu dem Schatten über sich.
    »Wer bist du, Junge? Wie heißt du?« Das war nicht die Stimme eines gewöhnlichen Bauern, sondern die eines Adligen, der es gewöhnt war, daß man ihm gehorchte.
    »Man nennt mich Jehan«, log Yves und gab sich Mühe, sich nicht durch seine Aussprache zu verraten.
    »Was hast du um diese Zeit hier zu suchen? Bist du allein?«
    »Ja, Herr. Mein Vater hat dort drüben Schafe.« Er zeigte in die entgegengesetzte Richtung, in der, wie er hoffte, Bruder Elyas immer noch schlief. »Gestern haben sich einige verirrt, und wir haben uns in aller Frühe aufgemacht, um sie zu suchen. Vater schickte mich hierhin und ging selbst dort entlang. Ich bin kein Späher, was sollte ich auch ausspähen?
    Wir kümmern uns nur um unsere Schafe.«
    »So! Ein Schafhirte, wie? Und ein sehr hübscher Schafhirte obendrein«, sagte die Stimme spöttisch. »In Kleidern aus teurem Stoff, die viel gekostet haben müssen, als sie neu waren. Also noch einmal: wer bist du?«
    »Ich habe die Wahrheit gesagt, Herr! Ich bin nur Jehan, Schafhirte aus Whitbache...« Das war das einzige Gut, das er weiter im Westen und auf dieser Seite des Corve kannte. Er hatte keine Ahnung, warum die Männer um ihn in heiseres Gelächter ausbrachen, und beim Klang des kurzen, harten Lachens des Mannes über ihm stockte ihm das Blut in den Adern. Seine eigene Angst machte ihn wütend. Er biß sich auf die Lippen und sah hinauf in das dunkle Gesicht. »Ihr habt kein Recht mich festzuhalten. Ich habe nichts Böses getan. Sagt Euren Männern, sie sollen mich loslassen.«
    Statt dessen sagte der Anführer interessiert aber ungerührt:
    »Gebt mir das Spielzeug, das er an seinem Gürtel trägt. Ich will doch einmal sehen, womit unsere Schafhirten den Wölfen dieses Jahr zuleibe rücken.«
    Das Zerren an seinem Umhang hatte Yves Gürtel freigelegt, an dem sein kleiner Dolch hing. Einer der Männer nahm ihn ihm ab und reichte ihn dem Reiter.
    »Ah, sie bevorzugen Silber«, sagte der Anführer spöttisch, »mit im Griff eingelegten kostbaren Edelsteinen. Sehr schön!«
    Er sah auf und bemerkte, daß sich der Himmel im Osten heller färbte. »Wir haben nicht genug Zeit, ihn hier zum Sprechen zu bringen, und meine Füße werden kalt. Nehmt ihn mit! Aber lebend! Ihr könnt euren Spaß mit ihm treiben, aber bringt ihn nicht um. Er könnte wertvoll für uns sein.«
    Er warf sein Pferd herum und ritt weiter. Die beiden anderen Reiter folgten dicht hinter ihm. Yves war

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