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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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aufgestellt und als sie sich näherten, wurde das Tor geöffnet.
    Im Inneren hatte man entlang der Palisade primitive Hütten errichtet. Es herrschte rege Betriebsamkeit. Direkt neben dem Turm stand ein langes, flaches Haus. Yves hörte das Muhen von Kühen und das klagende Blöken von Schafen. Alles war aus Holz, neu errichtet und roh behauen, aber solide gebaut und ausgezeichnet bemannt. Kein Wunder, daß die Räuber so unbesorgt durch die Nacht zogen - sie bauten auf ihre zahlenmäßige Stärke und die Stärke ihrer geheimen Festung.
    Bevor sie das Tor durchschritten, hatte Yves daran gedacht, zurückzubleiben und sich von dem tropfenden Weinschlauch fernzuhalten. Taumelnd, als sei er völlig erschöpft und ausgepumpt, schleppte er sich hinein. Er hatte nicht mehr auf den Schlauch gedrückt, seit er die Palisade erblickte, so daß nur noch einzelne kleine Tröpfchen herabfielen, als sie auf dem verschneiten Hof anhielten. Ein leckender Schlauch war nichts besonderes und wenigstens war der zweite dicht. Er hatte Glück, denn der Mann, der ihn gefangen hatte, band das Seil eilig los und zog ihn an der Schlinge um seinen Hals davon, bevor irgend jemand die dünne rote Spur bemerken und ein Geschrei darüber beginnen konnte, daß der halbe Inhalt des Schlauches auf dem Weg verschwunden war.
    Yves ließ sich davonzerren und stolperte gehorsam die Stufen hinauf, die zum Eingang der langen Halle führten.
    Beißender Rauch, Wärme und ohrenbetäubender Lärm schlugen ihm entgegen. An den Wänden brannten Fackeln aus frischem, harzigem Holz und auf einer gemauerten Feuerstelle in der Mitte des Raumes flackerte ein großes Feuer.
    Mindestens zwanzig Stimmen lärmten laut und ausgelassen im Dunst. Hier fühlte man sich sicher. Es gab fast keine Möbel, nur einige grobe Bänke, große Tische, die auf Böcken ruhten und rohe Baumstämme. In diesem Durcheinander von Männern wandten sich viele grinsend nach dem kleinen Gefangenen um.
    Am Ende der Halle stand eine niedrige Plattform, und hier steckten Kerzen in hohen Ständern, waren Teppiche aufgehängt und geschnitzte Stühle um einen Tisch aufgestellt, der mit Essen, Trinkhörnern und Bierkrügen beladen war. An ihm saßen drei Männer. Eine große Faust packte Yves ohne viel Umstände am Kragen, hob ihn auf die Plattform und warf ihn zu Füßen des Mannes, der am Ende des Tisches saß. Fast wäre er auf sein Gesicht geschlagen, aber er konnte den Sturz mit seinen gefesselten Händen abfangen und rang einen Augenblick lang nach Atem.
    »Hier ist der Schafhirte, heil und unversehrt, wie befohlen.
    Wir laden gerade die Beute ab. Alles ist ruhig. Auf dem Weg hierher war keine Menschenseele zu sehen.«
    Trotzig stand Yves auf. Er holte tief Atem und zwang das Zittern aus seinen Beinen, bevor er dem Anführer dieser nächtlichen Räuber ins Gesicht sah.
    Zu Pferd, als er ihn im Zwielicht des anbrechenden Tages hoch überragt hatte, war ihm der Mann riesig vorgekommen.
    Jetzt, da er sich bequem in seinen großen Stuhl zurückgelehnt hatte, wirkte er nicht übermäßig groß. Er war jedoch sehr kräftig, mit breiten Schultern und einem mächtigen Brustkorb.
    Er sah gut aus, wenn auch auf eine wilde Art. Hier, im Schein der Kerzen, war seine Ähnlichkeit mit einem Löwen noch unverkennbarer, denn das lange, gelockte Haar und der schimmernde, wuchernde Bart waren goldbraun und die großen Augen, die scharf wie die einer Katze unter schweren, halbgeschlossenen Lidern hervorschauten, hatten dieselbe Farbe. Der Bart ließ die vollen, stolz geschwungenen Lippen frei. Schweigend betrachtete der Anführer Yves von Kopf bis Fuß, während Yves den Blick standhaft erwiderte. Eher aus Klugheit als aus Angst sagte auch er nichts. Es konnte schlimmer kommen als jetzt. Wenigstens waren sie nun beutebeladen von einem weiteren Raubzug zurück, aßen und tranken und waren sehr mit sich zufrieden. Der Löwe schien guter Laune zu sein. Wenn sein Lächeln auch höhnisch war, so war es doch ein Lächeln.
    »Bindet ihn los«, sagte er.
    Der Gürtel um Yves' schmerzende Arme wurde gelöst und die Fesseln von seinen Händen genommen. Er rieb seine tauben Handgelenke bis das Blut wieder durch sie strömte, hielt seine Augen aufmerksam auf das Gesicht des Löwen gerichtet und wartete ab. Hinter seinem Rücken drängten sich grinsend einige Räuber, um das Schauspiel zu verfolgen.
    »Ich hoffe, es hat dir auf dem Weg nicht die Sprache verschlagen«, sagte der Bärtige liebenswürdig.
    »Nein, Herr. Ich kann

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