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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Cadfael ihn übersehen hätte, wenn die Spur der roten Tropfen nicht in ihm verschwunden wäre. Der Einschnitt war tief und dunkel. Hier hinein fiel fast kein Licht und es war völlig windstill. In dieser geschützten Lage wuchsen kleine Kräuter und es gab so viel Erde, daß hier auch gedrungene, stämmige Bäume standen.
    Bis zum Gipfel konnte es nicht mehr weit sein und auf dem Weg hierher hatte Cadfael den Berg halb umrundet. Was immer am Ende dieses Zugangs lag, mußte im Rücken durch die Steilwände der Südwestseite geschützt sein, und wahrscheinlich konnten nur Vögel auf einem anderen Weg als diesem dorthin gelangen.
    In der dünnen, klaren Luft konnte man Geräusche über weite Entfernungen hören. Als Cadfael tief in dem Einschnitt stehenblieb, um zu überlegen, was er jetzt tun sollte, vernahm er leise den regelmäßigen Rhythmus eines metallischen Klingens. Irgendwo dort oben war ein Schmied bei der Arbeit.
    Kurz darauf drang leise, aber unverkennbar, das Brüllen von Kühen an sein Ohr.
    Wenn dies der Zugang zu ihrem Lager war, so wurde er wahrscheinlich gut bewacht, und da er sich jetzt bereits in Hörweite befand, konnte es nicht mehr weit sein. Er saß ab, führte sein Maultier unter die Bäume und band es dort an. Er zweifelte nicht mehr daran, daß er das Versteck der Räuber gefunden hatte, die die ganze Gegend bis nach Ludlow mit ihren Plünderungen heimgesucht hatten. Wer sonst konnte sich hier, in dieser beherrschenden, gut versteckten Lage eingerichtet haben?
    Wenn er es auch nicht wagen durfte weiterzureiten, so konnte er doch versuchen sich anzuschleichen. Geräuschlos ging er zwischen den Bäumen weiter, über deren Kronen der graue Himmel schimmerte. In diesen Himmel ragte der kantige dunkle Umriß eines hölzernen Turms auf. Cadfael näherte sich der Quelle des Baches, der diesen tiefen Einschnitt gegraben hatte, und vor ihm, dort wo der Baumbestand zu Ende war, öffnete sich ein felsiges, schneebedecktes Plateau. Er sah die Palisade und die Dächer der Hütten, die sie umschloß und den langen Giebel der Halle, an deren Ende der Turm stand. Um dem Sturm zu widerstehen, war er solide gebaut und nicht besonders hoch, aber immerhin hoch genug, um das ganze Plateau zu beherrschen. Die Umrisse der Palisade und des Turms hoben sich dunkel vom Himmel ab. Von hinten brauchten die Männer dort nichts zu befürchten, denn dort fielen die Felsen steil ab. Wahrscheinlich, dachte Cadfael, war der Turm aus der Entfernung nicht von den dunklen Felsen zu unterscheiden, auf denen er stand.
    Er verharrte dort eine Weile und prägte sich ein, was er sah und hörte, denn Hugh Beringar würde möglichst viele Einzelheiten wissen wollen. Die Palisade war hoch und ihre Pfähle an den Enden zugespitzt, und aus der Tatsache, daß hinter ihr Köpfe auftauchten und wieder verschwanden, schloß er, daß es in regelmäßigen Abständen Plattformen, wenn nicht gar einen durchgehenden Wehrgang gab. Wenn er auch keine einzelnen Worte verstehen konnte, so vernahm er doch deutlich die Stimmen der Männer dort drinnen; es wurde gerufen, gelacht, ja sogar gesungen. Der Waffenschmied schlug auf den Amboß, Kühe schrien, Schafe blökten - die Geräusche des geschäftigen Treibens dort drinnen klangen sorglos. Die Männer dort hatten keine Angst. Sie fühlten sich der staatlichen Macht dieses geschundenen, vom Krieg zerrissenen Landes durchaus ebenbürtig. Der Anführer mußte die gesetzlosen, rastlosen, herrenlosen Männer aus zwei oder drei Grafschaften um sich geschart haben, die mit Vergnügen gesehen hatten, daß England sich im Bruderkrieg zerfleischte und hilflos ihrem Zugriff preisgegeben war.
    Der wolkige Himmel senkte sich immer tiefer herab. Cadfael kehrte zu seinem Maultier zurück und führte es vorsichtig, immer im Schutz der Bäume, hinunter und aus dem Einschnitt heraus. Dort blieb er eine Weile lauschend stehen, bevor er in den Sattel stieg. Er verfolgte den Weg zurück, den er gekommen war und begegnete keiner Menschenseele, bis er den Fuß des Berges erreicht hatte. Dort hätte er links zu der Landstraße abbiegen können, die von Cleobury kam, aber er wollte lieber weiter auf dem Weg zurückreiten, den auch die Räuber benutzten. Er mußte ihn sich gut einprägen, denn wenn wie gewöhnlich in der Nacht wieder Schnee fiel, würde er nur schwer wieder zu finden sein.
    Es war schon dunkel, als er eine Meile vor Bromfield die Landstraße erreichte. Dankbar und müde brachte er das letzte Stück Weges hinter

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