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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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eingenommen hatte, geöffnet und wieder geschlossen worden war. Aber als Cadfael mit dem Kleiderbündel unter dem Arm aus dem Raum trat, stand draußen, in dem mit Steinen ausgelegten Gang, das große, dunkelhaarige Mädchen. Die Augen in ihrem blassen Gesicht waren müde, stolz und besorgt, und ihr schwarzes Haar bedeckte ihre Schultern wie eine große, bauschige Wolke. Ihr flehender, forschender Blick verriet ihm, daß sie, da sie Stimmen gehört hatte, in aller Unschuld eingetreten und voller Entsetzen über das, was sie dort gesehen hatte, wieder hinausgegangen war. In die Schatten gedrückt hatte sie auf ihn gewartet. Sie zitterte, als er sie am Arm nahm und eilig in die Halle führte, in der noch ein zusammengesunkenes Feuer brannte. Die Glut war so zusammengekehrt worden, daß sie noch bis zum Morgen glimmen würde. Es war dunkel, nur der Schein des Feuers gab ein spärliches Licht. Hier, geborgen im Halbdunkel, atmete sie auf und entspannte sich etwas. Er beugte sich vor und schürte behutsam das Feuer, das rot aufglühte und neue Wärme verbreitete.
    »Setzt Euch her und wärmt Euch, mein Kind. Ja, setzt Euch nur bequem hin und habt keine Angst. Heute morgen noch war Yves gesund und munter, und morgen werden wir ihn wieder zurückbringen, wenn es menschenmöglich ist - Ihr habt mein Wort darauf.« Die Hand, mit der sie seinen Ärmel gepackt hatte, ließ langsam los. Sie lehnte ihren Kopf an die Wand und streckte ihre Füße dem Feuer entgegen. Sie war barfuß und trug das Bauernkleid, in dem sie am Tor erschienen war.
    »Warum schlaft Ihr noch nicht, mein Kind? Könnt Ihr denn nichts uns überlassen? Oder wenn schon nicht uns, so wenigstens Gott?«
    »Gott hat es zugelassen, daß sie starb«, sagte Ermina und schauderte. »Das sind ihre Sachen - ich kenne sie - ich habe sie an ihr gesehen! Das ist Hilarias Brusttuch und ihre Kutte.
    Wo war Gott, als sie geschändet und ermordet wurde?«
    »Nichts von alledem ist Gott entgangen«, erwiderte Cadfael, »und er hat einen Platz an seiner Seite für eine kleine, makellose Heilige geschaffen. Wollt Ihr sie von dort zurückwünschen?«
    Ohne sie zu berühren setzte er sich neben sie. Er respektierte ihren Schmerz und ihre Bitterkeit. Sie hatte all dies in Gang gesetzt und jetzt brauchte sie behutsamen Beistand, damit sie ihrer selbstzerstörerischen Wut nicht ausgeliefert war.
    »Es sind doch ihre Sachen, oder nicht? Ich konnte nicht schlafen. Ich wollte sehen, ob irgend jemand Neuigkeiten hatte und dann hörte ich dort Eure Stimmen. Ich habe nicht gelauscht. Ich habe nur die Tür geöffnet und gesehen, was auf dem Tisch lag.«
    »Ihr habt nichts Schlimmes getan«, sagte er sanft. »Und ich werde Euch alles sagen, was ich weiß, wie es Euch zusteht.
    Aber ich sage Euch noch einmal: Ihr dürft nicht die Schuld für eine Tat auf Euch nehmen, die ein anderer begangen hat. Eure eigenen Handlungen, ja - dafür seid Ihr verantwortlich. Aber dieser Tod, wer immer ihn verschuldet hat, soll Euer Gewissen nicht belasten. Wollt Ihr mir nun zuhören?«
    »Ja«, antwortete sie fügsam und doch gleichzeitig unnachgiebig. »Aber wenn ich schon die Schuld nicht auf mich nehmen darf, so bin ich doch aus adligem Geschlecht und fordere Rache.«
    »Auch die, so steht geschrieben, liegt bei Gott.« »Aber sie ist eine Pflicht, die ich meiner Familie gegenüber habe. So jedenfalls bin ich erzogen worden.«
    Diese Regeln waren nicht weniger bindend als die Ordensregeln, nach denen er lebte und sie richtete sich ebenso streng nach ihnen, wie er nach den seinen. In diesem Moment, da er neben ihr saß und ihre Entschlossenheit spürte, war er sich nicht einmal sicher, ob er ihr Verlangen nicht teilte. Wenn es etwas gab, das sie trennte, so war es doch nichts Großes.
    Gemeinsam aber waren ihnen, so überlegte er, der Durst nach Gerechtigkeit, die sie, als Angehörige einer anderen Klasse, Rache nannte. Cadfael schwieg. Eine derart glühende Leidenschaft mochte alles hinwegfegen, was sich ihr in den Weg stellte, sie mochte jedoch auch abkühlen und etwas von ihrer Wildheit verlieren. Sollte sie ihren eigenen Weg finden - wenn sie erst ganz erwachsen war, mochte sich ihr heftiges Temperament vielleicht langsam legen und dann würde sie sich mit den Realitäten des Lebens abfinden.
    »Würdet Ihr mir ihre Kleider zeigen?« fragte sie fast demütig.
    »Ich möchte ihre Kutte noch einmal berühren. Ich weiß, daß Ihr sie hier habt.« Ja, fast demütig suchte sie einen Weg zum Ziel, das sie

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