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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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der Ecke der Hütte hatten die Tropfen ein etwas größeres Loch gemacht, in dem etwas Rundes, Braunes zu sehen war, das weder verdorrtes Gras noch Erde war. Cadfael ging zu der Stelle und stocherte mit der Stiefelspitze im Schnee.
    Frost erhält alles so, wie es ist. Die Sonne der vorangegangenen Tage hatte nur so viel Kraft gehabt, daß das Tauwasser lediglich die Spitze dieses Haufens Pferdedung freigelegt hatte. Wenn der nächste Schnee ihn zugedeckt hatte, würde der Frost wieder alles versiegeln. Aber das Loch, das die Tropfen des Tauwassers gemacht hatten, war zu tief, um an einem Tag entstanden zu sein - dafür war die Sonne zu schwach. Es war unmöglich, mit Genauigkeit zu sagen, wann hier ein Pferd gestanden hatte, aber Cadfael schätzte, daß es fünf oder sechs Tage her war. War es angebunden gewesen?
    Die Balken der Hütte waren roh behauen, und das tiefe, weit vorstehende Dach wurde von Stützen getragen, an denen man leicht Zügel festbinden konnte.
    Er hätte das helle, fast weiße Haar, das sich etwas über Augenhöhe im rauhen Holz an der Ecke der Hütte verfangen hatte, vielleicht nicht bemerkt, wenn es sich nicht in einem plötzlichen Windstoß bewegt hätte. Vorher war es im Schnee, der dort klebte, festgefroren gewesen, aber der Wind hatte es losgerissen und ließ es nun hin-und herflattern. Vorsichtig löste er es von den Holzsplittern und strich mit den Fingern darüber: einige dicke, rauhe, blaß-gelbe Haare. Das Pferd, das hier angebunden gewesen war, hatte Schulter und Mähne an der Ecke der Hütte gescheuert und dabei eine Spur zurückgelassen.
    Dies war die Hütte, die dem Bach, in dem er Hilaria gefunden hatte, am nächsten lag. Und wenn man ein Pferd hatte, konnte man den Leichnam eines ermordeten Mädchens ohne große Mühe dorthin schaffen. Aber vielleicht war er zu voreilig. Er wollte lieber sehen, was dieser Ort ihm sonst noch verraten konnte, bevor er solche überstürzten Schlüsse zog.
    Er barg die Pferdehaare sorgfältig in seiner Kutte und betrat das Innere der Hütte. Hier drinnen war es etwas weniger kalt als draußen und der schwache, trockene Duft des aufgeschütteten Heus prickelte in seiner Nase. Hinter ihm stand Reyner und beobachtete jede seiner Bewegungen schweigend und aufmerksam.
    Jemand hatte im vergangenen Jahr eine gute Heuernte eingefahren und verwahrte in dieser Hütte noch immer große Vorräte. Ein warmes Lager im Heu, darüber ein solides Dach - ja, jeder, der in der Nacht herumirrte, würde für einen solchen Unterschlupf dankbar sein. Und in der vergangenen Nacht war offenbar jemand hiergewesen, denn der Heuhaufen war vom Gewicht eines großen Körpers niedergedrückt worden. So mochte es auch in anderen Nächten gewesen sein... Nur daß dann zwei Menschen hier gewesen waren. Ja, das war wohl der Ort, den er gesucht hatte. Und doch war auch diese Hütte mindestens eine halbe Meile von der Stelle entfernt, an der man Bruder Elyas halbtot gefunden hatte, und die Räuber waren auf dem Heimweg gewesen und hatten gewiß nicht eine halbe Meile menschenleerer Hügellandschaft durchstreift.
    »Glaubt Ihr«, fragte Reyner, »daß die beiden, die wir suchen, letzte Nacht hier waren? Denn irgend jemand ist ja hier gewesen, und der Schnee auf der Schwelle ist von zwei Füßen zertrampelt.«
    »Es könnte sein«, sagte Cadfael in Gedanken versunken.
    »Wir wollen es hoffen, denn wer immer auch hier war, ist, wie es aussieht, heute morgen lebend und gesund wieder fortgegangen und hat Spuren hinterlassen, denen wir gleich folgen werden, sobald wir alles gefunden haben, was es hier zu finden gibt.«
    »Was können wir hier schon finden, wo sie doch weg sind?«
    Aber Reyner beobachtete Cadfaels Konzentration mit Respekt und half sogar selber bei der Suche. Er kam herein, sah sich mit scharfen Augen um und schob mit dem Fuß den großen Heuhaufen auseinander. »Wenn sie es bis hierhin geschafft haben, hatten sie kein schlechtes Bett. Vielleicht ist ihnen doch nichts Ernsthaftes zugestoßen.« Sein Stochern im Heuhaufen hatte eine große Staubwolke aufgewirbelt und ein Stückchen schwarzen Stoffs freigelegt, das vorher tief im Heu verborgen gewesen war. Er bückte sich, zog daran und brachte ein langes schwarzes Kleidungsstück zum Vorschein, das sich, zerknittert und staubig, in seinen Händen entfaltete. Verwundert hielt er es hoch. »Was ist das? Wer wirft einen so guten Umhang weg?«
    Cadfael nahm ihm das Kleidungsstück ab und hielt es mit ausgestreckten Armen hoch, um

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