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Die Jungfrau Im Eis

Die Jungfrau Im Eis

Titel: Die Jungfrau Im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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weiterging. Die Räuberbande verfügte über mehr Männer, als man gedacht hatte und viele von ihnen waren erfahrene, gute Kämpfer. Mit Unbehagen sahen Yves und Olivier von ihrem Aussichtspunkt aus, daß das Feuer immer näher auf das große Haus zukroch. Wenn es den Turm erreichte, würde das zugige, hölzerne Treppenhaus wie ein Kamin wirken und der Fluchtweg wäre ihnen versperrt. Schon jetzt übertönte das funkensprühende Krachen der Balken den Lärm des Kampfes.
    »Jetzt wird es gefährlich«, sagte Olivier stirnrunzelnd. »Wir sollten besser dem Teufel unten die Stirn bieten als zu warten, bis er zu uns hinaufkommt.«
    Sie schoben die Leiter beiseite und öffneten die zerhauene Falltür. Splitter lösten sich und fielen hinab und aus dem Dunkel des Treppenhauses stieg, noch schwach wie ein Hauch, eine dünne Rauchwolke zu ihnen empor. Olivier ließ gar nicht erst die Leiter hinunter, sondern schwang sich durch die Öffnung und sprang leichtfüßig auf den Treppenabsatz. Als Yves ihm folgte, fing er ihn auf und setzte ihn lautlos ab. Eine Hand nach hinten gestreckt, um den Jungen dicht bei sich zu behalten, machte sich Olivier an den Abstieg. Hier war die Luft noch immer kalt, aber von irgendwo her kam stetiger Rauch, der die Stufen hinter einem Schleier verbarg, so daß sie sich ihren Weg Schritt für Schritt ertasten mußten. Der Kampflärm wurde schwächer, bis er nur noch ein von den dicken Wänden gedämpftes Summen war. Auch als sie den Felsboden erreicht hatten, auf dem der Turm errichtet war und im kümmerlichen Schein der wenigen Fackeln und des niedergebrannten Herdfeuers die Umrisse der angelehnten großen Tür zum Saal sahen, hörten sie drinnen keinen Schritt und keine Stimmen.
    Alle Räuber waren wohl draußen auf dem Hof und kämpften gegen die Männer des Sheriffs oder - und das war inzwischen ebenso wahrscheinlich - sie versuchten, den Kreis ihrer Angreifer irgendwie zu durchbrechen und zu entfliehen.
    Olivier ging zu der kleinen Außentür, durch die er in den Turm gelangt war, hob den schweren Riegel und zog, aber die Tür gab nicht nach. Er stemmte einen Fuß gegen die Wand und zog mit aller Kraft, aber die Tür blieb verschlossen.
    »Diese Teufel! Sie haben sie von außen verriegelt, als wir dort oben in der Falle saßen. Durch die Halle, Und bleib dicht hinter mir!«
    Aus Angst, ein mißtrauischer oder verwundeter Räuber könnte dort noch auf sie lauern, schoben sie die große Tür zum Saal vorsichtig ein Stück weiter auf und schlüpften so geräuschlos wie möglich hindurch. Aber beim Öffnen der Tür entstand Zug und plötzlich sprang in der hinteren Ecke des Raumes eine Flamme hoch und kroch auf die Deckenbalken zu. Glühende Splitter fielen auf Alain le Gauchers Gobelinsessel und brannten dort wie drei oder vier kleine Knospen, die sich zu großen, feuerroten Blüten öffneten. Die gelbroten Flammen waren das einzige, was sie durch den Rauch erkennen konnten, der den Saal so schnell füllte wie das Feuer sich ausbreitete. Sie tasteten sich ihren Weg durch ein verlassenes Durcheinander aus umgefallenen Bänken, Essensresten, umgestürzten Tischen, herabgefallenen Wandbehängen und fast erloschenen Fackeln, deren Qualm den Rauch noch verstärkte, der in ihren Augen brannte und ihnen den Atem nahm. Vor ihnen, jenseits dieses Chaos, trieb durch die halbgeöffnete Haupttür des Saales, zusammen mit der kalten Nachtluft, das Geschrei der kämpfenden Männer zu ihnen herein. Ein einzelner Stern, unglaublich klar und weit entfernt, war durch den Türspalt zu sehen. Ihre Augen brannten und tränten. Sie bedeckten ihr Gesicht mit den Ärmeln und rannten auf die Tür zu.
    Sie hatten sie schon fast erreicht, als eine Flamme einen Deckenbalken ergriff, funkensprühend auf seiner ungehobelten Oberfläche vorwärts schoß und auf den rauhen, handgewebten Vorhang übergriff, der Zugluft ausschließen sollte, wenn die Türen geschlossen und alle im Haus versammelt waren. Der trockene Stoff ging sofort in Flammen auf und fiel wie ein großes Kissen aus Feuer vor ihnen zu Boden. Olivier stieß ihn mit dem Fuß beiseite, packte Yves und schwang ihn um die lodernden Flammen herum in Richtung Tür.
    »Raus! Geh hinaus und versteck dich!«
    Wenn Yves aufs Wort gehorcht hätte, wäre er vielleicht nicht bemerkt worden, aber als er die Tür erreicht hatte und vor sich die Stufen zum Hof und das Kampfgetümmel sah, drehte er sich besorgt um, aus Angst, das jetzt mannshoch brennende Feuer könnte Olivier den

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