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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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ist gut versorgt, was macht es also, wenn Sie eine Woche oder auch ein wenig länger nicht da sind. Am besten kommen Sie morgen gleich zu mir in die Klinik, übermorgen wissen wir schon mehr. Aber Sie können mit dieser Ungewißheit und auch mit diesen unkontrollierbaren Blutungen nicht weiterleben.«
    »Sie werden mir nicht die Wahrheit sagen.«
    »Warum sollte ich nicht?«
    »Das weiß man doch. Sie werden mich aufschneiden, werden mich verstümmeln oder auch nicht, alles wird wieder schön zugenäht, und danach sagen Sie zu mir: Alles in Ordnung, Madame. Sie können beruhigt nach Hause fahren. Und in einem halben Jahr bin ich tot.«
    Dr. Goldstein lachte. »Das ist durchaus eine Möglichkeit. Die andere: eine harmlose Operation, in ein paar Wochen haben Sie sich bestens erholt und können die ganze Sache vergessen.«
    »Sie werden mir nicht die Wahrheit sagen«, wiederholte sie.
    »Angenommen, ich entdecke eine bösartige Geschwulst, so kann ich sie entfernen, und damit wäre alles erledigt.«
    »Und wenn es dafür zu spät ist?«
    »Dann werde ich Ihnen die Wahrheit sagen, wenn Sie sie wissen wollen, Sie müssen dann länger bei mir bleiben, wir werden bestrahlen und werden versuchen, Sie zu heilen.«
    »Oder den Tod um ein paar Wochen hinausschieben. Ich werde ein Gerippe sein, ohne Haare auf dem Kopf.«
    Er seufzte. »Die Patienten heutzutage lesen viel zu viele illustrierte Blätter. Haben Sie denn gar kein Vertrauen zu mir?«
    »Zu wem sonst, wenn nicht zu Ihnen, was glauben Sie, warum ich zu keinem anderen Arzt gehe. Aber ich will gerade jetzt nicht sterben.«
    »Sie sollen überhaupt nicht so bald sterben. Und ich sehe dazu auch gar keinen Grund. Aber ich würde dennoch gern wissen, was das heißen soll: gerade jetzt nicht. Ist es wegen dieses Mannes, von dem Sie mir erzählt haben, mit dem Sie zusammenleben?«
    »Ah bah«, machte Anita. »Nicht wegen Danio. Ich hab ihn ganz gern, und er hat mir in den letzten Jahren sehr angenehm die Zeit vertrieben. Aber das ist keine Frage von Leben und Sterben. Nein, es ist etwas anderes. Ich warte auf einen Brief.«
    »Ein Brief?«
    Anita lächelte auf einmal.
    »Sie werden staunen, Doktor. Ich warte auf einen Brief meiner Tochter.«
    Er staunte wirklich.
    »Ich habe gesehen, daß Sie ein Kind geboren haben. Aber Sie haben mir nie von dieser Tochter erzählt.«
    »Das wäre auch schwierig. Ich kenne sie gar nicht.« Ihre Stimme wurde plötzlich laut und leidenschaftlich. »Aber ich will sie jetzt endlich kennenlernen, das ist mein gutes Recht. Ich kann ihr ein wunderbares Leben bieten. Aber ich will nicht alt und krank und kaputt sein, wenn sie kommt. Verstehen sie das?«
    »Natürlich verstehe ich das. Sie waren immer eine eitle Frau, die sich selbst liebte, ihren Körper, ihr Aussehen, was ich ganz in Ordnung finde. Aber vor allen Dingen wollen Sie leben, wenn diese Tochter kommt, nicht wahr? Und nun erzählen Sie.«
    Anita hatte Dr. Goldstein kennengelernt, da war sie siebzehn und war wirklich nahe daran zu sterben. Eine verpfuschte Abtreibung war die Ursache. Die Frau, in deren Wohnung Anita ein kleines Zimmer bewohnte, holte den jungen Arzt aus der Nachbarschaft, und der tat sein Bestes, das fast verblutete Mädchen zu retten.
    Anita brauchte lange, bis sie sich erholte, sie bekam eine Unterleibsentzündung. Dr. Goldstein behandelte sie, tröstete sie, kümmerte sich um sie, denn sie war ganz allein und sehr verzweifelt. Er erfuhr die Geschichte ihrer ersten Liebe, ein junger Schauspieler, der in Frankfurt an der Oder im Engagement gewesen war, dort stammte auch sie her, dort hatte sie ihn bereits als Fünfzehnjährige angehimmelt, dort hatte er sie als Sechzehnjährige verführt; als er nach Berlin ging, brannte sie zu Hause durch und reiste ihm nach. Erstens aus Liebe und zweitens, weil sie auch gern Schauspielerin werden wollte.
    Als sie schwanger wurde, ließ er sich nicht mehr blicken. Sie hatte nichts gelernt, hatte keine Arbeit, und wäre die Frau, bei der sie wohnte, nicht ein so gutmütiger mütterlicher Typ gewesen, die ihr die Miete stundete, säße sie längst auf der Straße. Das alles erfuhr Dr. Goldstein sehr bald, denn Anita erzählte ihm ihre ganze Lebensgeschichte, die ja noch relativ kurz war. Sie stammte aus einfachen, kleinbürgerlichen Verhältnissen, hatte stets unter der Enge, dem kargen Leben daheim gelitten. Daß sie hübsch war, wußte sie. Daß sich damit etwas anfangen ließ, auch.
    »Es passiert mir nie wieder, daß ich mich

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