Die Jungfrau im Lavendel
Leben lang reichen, ohne daß er arbeiten mußte. Er wußte auch nicht, ob er unbedingt Dido für immer behalten wollte. Aber in gewisser Weise brauchte er sie. Denn sie war stark, sie vermittelte ihm das, was er nicht besaß: einen festen Willen. Und er brauchte einfach einen Menschen, mit dem er alles besprechen konnte.
Didos Triumph, als sie, nur sie, herausbekommen hatte, wo sich das Mädchen befand, war nicht zu übersehen. Sie war also nicht tot. Und es war abzusehen, daß es nicht lange dauern würde, bis Anita es auch wußte.
Was sie alle nicht wußten, er nicht, Anita nicht, Dido nicht, daß Virginia ihre Mutter für tot hielt.
Und dann also der Geburtstag, der Brief und dazu, was sie nun wußten – es war höchste Zeit, etwas zu unternehmen.
»Aber was?« fragte Dido.
»Ich werde hinfahren und mir das ansehen.«
»Und dann lockst du sie in den Wald, schneidest ihr die Kehle durch, das erfährt Anita dann, und daraufhin heiratet sie dich.«
Er war empört. »Ich bin keiner von deinen afrikanischen Mördern. Ich fahre hin und seh mir das erst mal an.«
Sie betrachtete ihn aus zusammengekniffenen Augen.
»Cochon!« spuckte sie ihm ins Gesicht.
So leicht war das Leben von Danio Carone wirklich nicht. Manchmal dachte er daran, aus diesem Leben ganz auszusteigen, beide Frauen zu verlassen, irgendwo anders hinzugehen, seinetwegen auch wieder zu arbeiten. Und gab es nicht viele reiche Frauen auf der Welt? Als er Anita zum Flughafen von Nizza brachte, sagte er: »Ich verstehe wirklich nicht, warum du ausgerechnet jetzt nach Paris mußt. Nach allem, was man so gehört hat, müssen sich furchtbare Dinge dort abgespielt haben.«
»Ah bah, Paris ist kein Dorf. Wenn ein paar Studenten dort krakeelen, liegt Paris noch lange nicht in Trümmern.«
»Es waren nicht nur die Studenten allein. Es muß eine richtige Revolution gewesen sein.«
»Unsinn! Ihr mit euren Revolutionen. De Gaulle hat die Zügel wieder fest in der Hand.«
Man schrieb den Sommer 1968.
»Wenn ich zurückkomme, hat Virginia mir vielleicht schon geantwortet«, sagte Anita. »Und dann holen wir sie uns gleich. Vielleicht ist sie in einem Internat in der Schweiz oder in England, oder was weiß ich.«
»Oder er hat sie gleich an Mädchenhändler verkauft, um sie los zu sein«, sagte Danio spöttisch. »Ciao, bellissima. Wann wirst du wiederkommen?«
»Ich weiß es noch nicht. Ich bleibe eine Woche oder so.« Sie küßte ihn flüchtig, gleichgültig, wie er fand.
Was war nur geschehen, daß sie ihn nicht mehr liebte? War Dido doch einmal bei ihr gewesen? Nein, sie hatte geschworen, beim heiligen Boden Algeriens und bei der Seele ihres Vaters, daß sie das nicht getan hatte. Das glaubte er ihr. Und was war mit dem Gärtner und seiner Frau, die Anitas Haus versorgten? Daß sie ihn nicht leiden konnten, wußte Danio sehr genau.
So war er also einfach losgefahren mit Anitas großem Wagen, aber mit dem fuhr er nur bis Mailand, dort stellte er ihn ab und mietete einen Wagen mit italienischem Kennzeichen. Nun war er hier. Und es ging alles viel, viel leichter, als er es sich vorgestellt hatte. Er hatte das Mädchen gesehen, und sie hatte ihn immerhin wahrgenommen. Der Vater war wieder abgereist, und da stand sie vor dem Schuhladen, einfach so, mit zwei anderen Mädchen. Eigentlich brauchte er sie nur noch anzusprechen und zu sagen: Mademoiselle Virginia, ich soll Sie grüßen von Ihrer Mutter, und ich soll Sie abholen zu einem Besuch bei ihr.
Lächerlich. Sie konnte nicht einfach mit einem Wildfremden wegfahren. Und im Kloster konnte er sich in keiner Weise legitimieren.
Wie auch immer, tun mußte er etwas. Sonst konnte er das ganze Unternehmen gleich aufgeben.
Als die drei Mädchen aus dem Schuhgeschäft kamen, stand er direkt davor, blickte in Virginias Augen, dann auf ihre Füße. »Wunderschöne Schuhe«, sagte er. »Genau das, was gestern noch gefehlt hat zu dem hübschen Kleid.« Virginia öffnete vor Erstaunen den Mund. Sie erkannte ihn sofort wieder.
Die Zwillinge blickten interessiert, und Danio sprach schnell weiter. »Meine Damen!« Er neigte leicht den Kopf. »Ein guter Einkauf. Ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk, nehme ich an.«
Sabine stieß die wie erstarrt dastehende Virginia an.
»Kennst du den?«
»Ich hatte das Vergnügen, Fräulein Virginia gestern kennenzulernen. Ihr Vater hat uns bekannt gemacht. Wallstein ist mein Name.«
Das fiel ihm gerade so ein, er hatte einmal im ›Negresco‹ einen sehr sympathischen Gast
Weitere Kostenlose Bücher