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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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Mädchen, das alles hatte ihn so erregt, daß er nicht schlafen konnte. Trotzdem war er losgefahren. Warum eigentlich? Wer vermißte ihn denn schon? Seine Frau? Die Fabrik?
    Er wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn, fuhr am nächsten Parkplatz vorbei, es war schon wieder besser. Am Frankfurter Kreuz kam der nächste Anfall. Es gelang ihm noch, den Wagen an den Rand zu lenken, die Bremse durchzutreten, dann sank er über dem Steuer zusammen.
    Ein riesiger Laster mit Anhänger kam gerade noch einen halben Meter hinter ihm zum Stehen. Nichts war passiert. Der Fahrer fluchte lästerlich und stieg aus, um diesem Idioten in dem Mercedes mitzuteilen, was er von ihm hielt.
    Ein Notarztwagen brachte Ferdinand Stettenburg-von Maray, Oberst a.D. in das nächstgelegene Krankenhaus, er hatte eine schwere Magenblutung. Seine Frau Mechthild traf am Abend noch ein, er war nicht bei Bewußtsein, sie blieb eine Weile bei ihm, war sich klar, wie es um ihn stand. Dann sagte sie dem Arzt, sie würde am nächsten Morgen wiederkommen, und fuhr in ein Hotel.
    Der Oberst kam gegen zehn Uhr zu sich. Erst kam die Nachtschwester, dann der diensthabende Arzt. Er erfuhr, daß seine Frau eingetroffen war, und nickte. Auch er war sich klar darüber, wie es um ihn stand.
    Er würde gern telefonieren, murmelte er. Das könne man nicht gestatten, erfuhr er.
    Er nickte wieder.
    »Ich sage Ihnen die Nummer«, flüsterte er dem Arzt ins Ohr. »Und Sie rufen bitte an. In München. Dr. Landau. Und bitte sofort.«
    Ludwig Landau kam noch zurecht. Der Oberst lebte noch drei Tage. Mechthild wollte ihn in ein Krankenhaus ihrer Heimatstadt im Ruhrgebiet überführen lassen, aber er wollte nicht.
    Es war egal, wo er starb.
    »Es ist egal, wo ich sterbe«, sagte er.
    »Du stirbst nicht«, widersprach Mechthild ungeduldig. »Wegen so ein bißchen Magenbluten. Da werden die heute noch mit ganz anderen Sachen fertig.«
    »Ich sterbe ganz gern«, murmelte er friedlich.
    Sie versuchte, etwas über seinen Besuch im Kloster zu erfahren, aber er schüttelte den Kopf. Und als sie weiter drängte, sagte er kurz: »Das geht dich nichts an. Nicht mehr.«
    Als Ludwig schließlich eintraf, verlangte Ferdinand, mit ihm allein zu bleiben. Mit einem giftigen Blick auf die beiden verließ Mechthild das Zimmer.
    »Ferdl«, sagte Ludwig. »Sind wir schuld? Haben wir zu lang gebechert?«
    »Es war ein schöner Abend«, sagte Ferdinand. »Ich danke euch dafür.« Das Sprechen fiel ihm schwer, er hatte Blasen in den Mundwinkeln, er keuchte.
    »Sei stad«, sagte Landau. »Sag nix. Ich bleib so ein bissel bei dir sitzen.«
    Der Oberst schüttelte den Kopf, hob die Hand und keuchte mühsam: »Da im Schrank hängt mein Sakko. In der Brieftasche … in der Brusttasche, da ist ein Brief. Den schickst du dahin, wo er hingehört.«
    »Was für ein Brief?«
    »Bitte, Ludwig. Bitte.«
    »Aber …«
    »Hol ihn gleich. Eh … eh sie zurückkommt. Sie braucht es nicht zu wissen.«
    Dr. Landau stand auf, ging zum Schrank und nahm die Brieftasche aus der Jacke. Den Brief fand er gleich.
    Er las den Briefkopf, die Anrede, die Unterschrift, drehte sich überrascht um.
    »Na hörst, das ist ja ein Brief von Anita.«
    Der Oberst war bewußtlos. Er starb am nächsten Tag.

Die Ferme
    Die Ferme lag ein ganzes Stück vom Dorf entfernt, sehr einsam, sehr verlassen, und wer nicht wußte, wo sie sich befand, hätte kaum den Weg dorthin gefunden. Hinter dem Dorf stieg der schmale steinige Weg jäh an und bog dann scharf nach rechts um den dichten maquis, so daß man die Häuser des Dorfes nicht mehr sehen konnte. Man hätte die Ferme einen Ort paradiesischer Ruhe nennen können, sofern man es schätzte, in diesem Zustand zu leben. Dido schätzte es nicht.
    Das Gebäude war ziemlich groß mit dicken alten Mauern, und verfügte über viele Räume, jedoch nur zwei davon hatte Dido einigermaßen wohnlich eingerichtet. Natürlich wollte sie anfangs nicht allzu lange in diesem verlassenen Haus bleiben, aber in gewisser Weise fühlte sie sich der Ferme verbunden, es war eine vertraute Zuflucht, und es war das einzige Stück Heimat, das sie noch besaß. Auch den Stall hielt sie gut in Ordnung, sie hatte drei Ziegen, ein paar Hühner, und pflegte mit Umsicht ihren Gemüse- und Kräutergarten. Diese Art von Leben war ihr vertraut. Genauso wie die Pistole, die immer unter ihrem Kopfkissen lag.
    Hinter der Ferme führte der Weg bergan und verlor sich kurz darauf in einem Wald von dicken alten Eichen. Vor der

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