Die Jungfrau im Lavendel
genug gesagt. Wenn wirklich jemand kommt und das Mädchen sucht, ich weiß nicht, wo sie ist. Basta!«
»Und was bitte stellst du dir eigentlich vor? Wie lange soll sie bei mir bleiben?«
»Will sie weg?«
»Es sieht nicht so aus. Gestern sagte sie zu mir: Ich bin Ihnen so dankbar. Es gibt keinen Platz auf der Welt, wo ich sein möchte, nur hier.« Dido lachte unfroh. »Weißt du, das ist eine total verrückte Geschichte. Ich wäre wirklich froh, wenn deine Anita wieder auftauchen würde.«
»Das hättest du früher nicht gesagt.«
»Nein. Aber jetzt sage ich es.«
»Und warum darf ich nicht zu dir kommen?«
»Ja, bald.«
»Und warum eigentlich …«
»Ach, sei still«, fuhr sie ihn an. »Begreifst du denn nicht, daß es keine Spur von dir zu mir geben darf.«
Danio begriff es zwar nicht, aber er war inzwischen so genervt, daß er ihr widerspruchslos gehorchte. Danio, der Schöne, befand sich in der Klemme. Auch er wäre froh gewesen, wenn Anita endlich wieder aufgetaucht wäre, er hatte kein Geld mehr. Den letzten Rest hatte er verspielt. Und ohne Anita kein Geld. Noch hatte er ein Dach über dem Kopf, sogar ein sehr feudales, und Rose kochte für ihn, wenn auch mit mürrischer Miene.
Anitas Auto stand wieder in der Garage. Der Austausch der Wagen war reibungslos vor sich gegangen, einer von Pierres Leuten hatte das erledigt.
Und Alain hatte gesagt: »Teile Pierre mit, daß ich ihn sprechen möchte.«
»Alain! Nein! Bitte nicht!«
Alain lächelte.
»Er ist kein Verräter. Siehst du, Schwester, ich weiß das. Ich möchte ihn wiedersehen. Und einiges mit ihm besprechen, was deine Ausreise anbelangt.«
»Meine Ausreise?«
»Ja. Es sei denn, du möchtest dein ganzes Leben hier auf der Ferme verbringen.«
»Alain, nein; ich habe ja noch nicht viel von meinem Leben gehabt.«
»Das denke ich auch. Möchtest du hier alt werden? Wie Chariot? Oder die Crouchon da unten im Dorf? Du bist schön und jung, du sollst heiraten, Kinder bekommen. Aber ich möchte auch, daß du in meiner Nähe bist.«
»Soll ich nach England kommen? Meinst du das?«
Er schüttelte den Kopf.
»Denkst du nie an Afrika?«
Sie schrie auf. »Alain! Du willst doch nicht zurück nach Algerien?«
»Gewiß nicht. Das ist vorbei. Aber Afrika hat noch andere Küsten. Es ist ein riesiger Kontinent, Dido. Und besonders schön soll es an seinem Südende sein. Das haben mir Freunde in England erzählt. Ja, ich habe auch Freunde dort. Südafrika – ein schönes Land, ein reiches Land, ein gesundes Klima. Ich gehe dorthin.«
»Nach Südafrika?«
»In die Südafrikanische Union, ja.«
»Und was tust du dort?«
»Das wird sich finden. Vielleicht arbeite ich auf einer Farm. Vielleicht werde ich eines Tages selbst eine Farm besitzen. Auch darum will ich mit Pierre sprechen. Vielleicht will er nicht immer in Marseille bleiben. Marseille ist keine Stadt, in der sich gut leben läßt.«
Pierre kam am Abend, ehe Alain die Ferme verließ.
Sein Wagen schlich lautlos den Berg herauf, Dido stand vor der Tür, sie war erregt, sie hatte Angst. Pierre, der Verräter, es saß zu fest in ihr. Wie, wenn er mit der Polizei kam? Sie wollte Alain in Vaters Zimmer verbannen, aber er hatte sich geweigert.
»Wenn Pierre mich wirklich verraten sollte, schieße ich ihn sofort über den Haufen. Er weiß das. Und er verrät mich nicht.«
Pierre küßte Dido auf die Wange.
»Schön wie immer. Da!« Er drückte ihr ein Päckchen mit Pralinen in die Hand. »Und wer ist es, der mich so dringend sprechen will?«
»Ich!« sagte Alain von der Schwelle her.
Es war lange, es war sehr lange her, daß sie sich gesehen hatten, sie waren fast noch Knaben gewesen, doch sie erkannten sich auf den ersten Blick, umschlangen sich mit beiden Armen, küßten sich auf beide Wangen. Pierre hatte Tränen in den Augen.
»Du hast es also überlebt, Gott sei gedankt.«
»Du hast wirklich nicht gewußt, daß er hier ist?« fragte Dido, immer noch voll Mißtrauen.
»Aber nein! Woher sollte ich das wissen? Du hast so geheimnisvoll getan. Ich dachte, es hinge mit diesem Danio zusammen.«
»Es erstaunt mich, daß es etwas gibt, was du nicht weißt.«
Sie schloß sorgfältig die Tür ab und ging mit den Männern in den Wohnraum.
Auf dem flachen Lager saß Virginia und streichelte ihre Katze.
»Wer ist das?« fragte Pierre.
»Eine junge Engländerin, die hier Ferien macht.«
Pierre grinste sie an.
»Das Mädchen aus dem Kloster. Die Tochter der Freundin deines Freundes. Und wo ist
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