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Die Jungfrau im Lavendel

Titel: Die Jungfrau im Lavendel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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eilt ja nun nicht so. Ich besorge dir jemanden, der das erledigt.«
    »Ich muß dich sprechen. Kann ich nicht zu dir kommen?«
    »Es bleibt bei dem, was ich gesagt habe.«
    »Wo kann ich dich denn treffen? Wie geht es ihr denn?«
    Sie schwieg, und er merkte, daß sie beide Fragen nicht beantworten konnte.
    »Kannst du nicht herunterkommen? Vielleicht nach Cannes?«
    »Heute nicht.«
    »Morgen?«
    »Vielleicht.«
    Er nannte eine Zeit und einen Treffpunkt. Sie stimmte zu. Anschließend fuhr sie nach Grasse und besorgte die Tabletten, die Alain aufgeschrieben hatte.
    Virginia erholte sich schnell, es war nur eine leichte Gehirnerschütterung gewesen, sie erinnerte sich wieder genau an ihren törichten Aufbruch aus Gollingen und warum sie mit dem fremden Mann gefahren war. Dieser Mann war nicht mehr da, jedoch ein anderer, der sich um sie kümmerte wie ein Arzt. Er fühlte ihren Puls, gab ihr Tabletten und beobachtete das Abschwellen der Beule. Sie nannte ihn Alain und nahm an, er sei der Mann der dunkelhaarigen Frau, bei der sie Aufnahme gefunden hatte. Sie fürchtete sich nicht mehr vor Dido wie am Abend ihrer Ankunft.
    Als sie wieder klar denken konnte, sagte sie eines Morgens traurig: »Es war alles gelogen.«
    »Nein«, erwiderte Dido. »Was Danio Ihnen erzählt hat, ist wahr. Ihre Mutter lebt, und Ihre Mutter hat Sie gesucht. Aber nun weiß sie nicht, daß Sie hier sind. Danio hatte sich das Ganze als Überraschung ausgedacht. Aber nun ist Ihre Mutter verreist, wie es scheint für längere Zeit. Sie können bei mir bleiben, bis sie wiederkommt.«
    Dieses Gespräch, genau wie jedes andere, hatte seine Schwierigkeiten, obwohl Virginia sich große Mühe gab, sich an alles zu erinnern, was sie im Französischunterricht gelernt hatte. Dido tat ihr Bestes, sie sprach langsam, wiederholte Worte und Sätze, eine Art von Verständigung kam zustande, aber sie war keineswegs ausreichend, um Virginia verständlich zu machen, was mit ihr geschehen war, wo sie sich befand und was aus ihr werden sollte. Auf diese letzte Frage allerdings hätte auch Dido ihr keine Antwort geben können.
    So kam es zu diesem seltsamen, unwirklichen Leben, in das Virginia geriet und das sie widerspruchslos hinnahm, weil sie sich einfach wohl fühlte in der Sonne, unter dem blauen Himmel, in dieser zauberhaften Landschaft. Und weil da auch nichts war, was ihr Angst machte.
    Schwierig, so gut wie unmöglich war die Verständigung mit Chariot, der Virginia schon vier Tage nach ihrem Eintreffen kennenlernte. Sie lag auf einer Decke im Gras, im Schatten einer riesigen Korkeiche, und träumte vor sich hin.
    Seinen provençalischen Dialekt verstand sie nun gar nicht, aber sie lächelte ihn freundlich an, ein wenig benommen war sie ja noch, und hörte ihm zu.
    Dido hatte dieses Zusammentreffen, mit dem sie schon gerechnet hatte, vom Haus aus beobachtet. Was sie Chariot sagen würde, wußte sie auch schon. Die junge Dame sei Engländerin, erzählte sie, und sie sei lange Zeit krank gewesen. Nun habe ihr Bruder sie hergebracht, damit sie sich hier erholen könne. Sollte Chariot eines Tages auch Alain zu Gesicht bekommen, war eine weitete Erklärung unnötig.
    »Ich habe die beiden vor einiger Zeit mal in Nizza kennengelernt«, fügte Dido noch hinzu.
    »Die arme Kleine«, meinte Chariot mitleidsvoll. »Ja, sie ist sehr blaß und schmal. Die Luft in unseren Bergen wird ihr guttun. Und unsere Sonne, nicht wahr? In England soll es ja immer sehr neblig sein.«
    Chariot gab sich mit dieser Erklärung zufrieden. Wenn er vorbeikam und Virginia erblickte, nahm er sich immer Zeit zu einem kleinen Schwatz, auch wenn dieser nach wie vor ziemlich einseitig blieb. Virginia hörte zu, nickte, lächelte, und hin und wieder verstand sie auch ein Wort. Dido hatte ihr eingeschärft, auf keinen Fall deutsch zu sprechen.
    »Chariot haßt die Deutschen. Er war bei der Résistance, und die Deutschen haben ihm übel mitgespielt.«
    Virginia nickte auch dazu. Was wußte sie schon davon? Sie hatte eine ganze Menge in der Klosterschule gelernt, aber davon nichts. Jedenfalls sprach sie kein Wort deutsch, nur manchmal ein paar Brocken englisch, wie Dido ihr empfohlen hatte. Das imponierte Chariot gewaltig. Den Bertins und Mère Crouchon erzählte er: »In der Ferme wohnt jetzt eine junge Engländerin. Sie ist sehr krank. Sie soll sich hier erholen.«
    »Bei der Algerierin?« fragte Madame Bertin mißtrauisch. Wenn Dido das gehört hätte, dann hätte sie gewußt, daß alle, sogar die

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