Die Jungfrau von Zesh
achteckigen Turm, der in bleiches Mondlicht getaucht war. Hinter einem Fenster glaubte sie ein flackerndes Licht zu erkennen. Sie wandte den Blick wieder nach vorn und betrat gleich darauf den Wald.
Nachdem sie eine ganze Weile schweigend durch den Wald gestapft waren, bemerkte Althea, die das Schlusslicht des Zuges bildete und den Blick die ganze Zeit über auf Kirwans breiten Rücken geheftet hatte, mit einem Mal, dass Bahr außer Sicht- und Hörweite war. Nervös sagte sie zu Brian Kirwan: »Sie sollten etwas schneller gehen, sonst verlieren wir Gottfried.«
»Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte Kirwan und wandte sich um. »Ehrlich, mit Brian Kirwan als Begleiter ist noch keiner verloren gegangen. Ist dir denn noch gar nicht der Gedanke gekommen, cuisle mo croidhe, dass ich vielleicht absichtlich langsamer gegangen sein könnte?«
»Also, daran habe ich noch gar nicht gedacht …«
Kirwan tastete tollpatschig nach Altheas Hand und hielt sie fest. »Weißt du, Herzchen, seit Tagen schon bin ich so verliebt in dich, dass ich kein Wort mehr herauskriege, und das bei meiner schon fast sprichwörtlichen Redegewandtheit! Liebling, auch wenn der natürlich lebende Mensch sich als Schwindel und als einzige Enttäuschung entpuppt hat, so gibt es doch immer noch genügend Romantik in der Galaxis für zwei liebende Herzen wie unsere. Lass mich dir beweisen, wie …«
»Brian! Lassen Sie mich sofort los!« rief Althea, der plötzlich Unheilvolles schwante. Sie versuchte, ihm ihre Hand zu entwinden, aber sein Griff war zu fest.
»Stoß mich nicht von dir, mein Lieb!« ächzte der Poet liebestrunken. »Denn so sicher, wie Irland ein feuchtes kleines Land ist, gehörst du zu mir mit Leib und Seele! Und wenn wir eines Tages noch deinen ruchlosen Ehegatten vergiften könnten, dann würde ich dich vielleicht sogar ganz legal heiraten, so richtig, mit allem Drum und Dran! Warum sollten wir nicht …«
Verzweifelt versuchte Althea, sich von ihm loszureißen. Aber Kirwan war in seiner Liebesglut nicht mehr zu bremsen. Er drückte sie an sich, quetschte ihren freien Arm zwischen seinen und ihren Körper und begann, ihr Gesicht mit sabbernden Küssen zu bedecken. Sie wand und drehte sich, versuchte angewidert, ihren Kopf zur Seite zu drehen, während er sie wie ein hechelnder Hund abschleckte und liebestoll auf sie einschwallte: »Oh, du meine kleine Sassenach-Rose … du machst mich verrückt, du … mit drei Monden am Himmel lieben wir uns dreimal so leidenschaftlich … oh, welch heißes Sehnen zieht durch meine Brust, du kleiner Wildfasan, du … zappel nicht so, Darling, sonst kann ich gar keine weiche Stelle finden … ist nicht eine Jungfrau auf Zesh genug?«
»Brian, bitte!« schrie sie in panischer Angst. »Hör auf! Hiiilfeeee!«
Sein heißer hechelnder Atem fächelte ihr ins Gesicht. Die Stoppeln seines munter sprießenden Barts kratzten ihr über die Haut. Keine Hilfe kam.
Als der Poet schließlich versuchte, sie ins Gras zu drücken, versetzte sie ihm einen heftigen Tritt gegen das Schienbein. Er knurrte wie ein gereizter Hund und zuckte mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück. Althea gelang es, einen Arm freizubekommen. Sie zog ihm die Fingernägel quer durchs Gesicht, biss ihm ins Handgelenk und hieb ihm anschließend die Faust mit aller Kraft auf die Nase.
»Du verdammtes Biest!« keuchte er. Sie zog mit einem Ruck das Knie hoch.
Er brüllte vor Schmerz auf wie ein verwundeter Stier und ließ los. Althea hetzte davon wie ein junges Reh. Kirwan stolperte fluchend hinter ihr her. Althea war ihm gegenüber eindeutig im Vorteil: Abgesehen von seiner Fettleibigkeit hatte er auch noch kurze Beine, und seine Augen waren auch nicht die schärfsten.
Althea stolperte über eine Wurzel und fiel der Länge nach hin. Doch sie war blitzschnell wieder auf den Beinen und rannte weiter. Hinter sich hörte sie Kirwan mit lautem Plumps zu Boden krachen; offenbar war er über dieselbe Wurzel gestolpert. Nach ein paar Minuten hielt sie an, vollkommen außer Atem. Sie lauschte. Von Kirwan nichts zu hören. Dann, plötzlich, wie aus weiter Ferne, eine Stimme.
»Althea, Darling! Wo zum Teufel steckst du? Bitte, komm doch zurück! Ich tu dir auch nichts! Du wirst dich im Wald verirren!«
Vermutlich haben wir uns inzwischen beide verirrt, dachte Althea, aber sie hatte nicht vor, ein zweites Mal auf Kirwan hereinzufallen. Sie ging aufs Geratewohl weiter, bis sie seine Rufe nicht mehr hören konnte. Schließlich suchte sie sich
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