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Die Jungfrau von Zesh

Titel: Die Jungfrau von Zesh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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eine Klingel noch einen Klopfer.
    »Nun, wir können aber nicht die ganze Nacht hier rumstehen«, sagte Kirwan. Die Schweißperlen auf seiner Stirn glitzerten im Mondlicht. Er trat einen Schritt vor und hämmerte mit der Faust gegen die Tür. Nichts passierte. Althea schaute sich das Gebäude einmal näher an. Auf den ersten Blick konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Gebäude neueren Datums war – ein Gedanke, der gar nicht so fern lag, wenn man an den rasanten Aufschwung dachte, den der technische Fortschritt der Záva in jüngster Zeit genommen hatte. Der Verwitterungsgrad des Mauerwerks strafte diesen Eindruck indes Lügen. Sie stellte Bahr im Flüsterton eine Frage.
    »Das ist nicht bekannt«, antwortete dieser. »Wahrscheinlich ist, dass der Turm zur Zeit der Kalwm-Dynastie errichtet wurde und dass die schwanzlosen Krishnaner, die ihn gebaut haben, die Insel später aus irgendeinem Grund verließen. Die Archäologen haben die Frage noch nicht endgültig beantwortet, obwohl ich mir denke, dass es möglich sein müsste, mit radioaktiven Methoden das Erbauungsdatum präzise festzustellen …«
    Die Tür schwang lautlos auf. Im Rahmen stand eine verhüllte schwarze Gestalt. Bahr verstummte, Kirwan zuckte mit einem leisen Aufschrei zurück. Die Gestalt und die Terraner musterten sich einen Moment lang schweigend. Althea fing vor lauter Nervosität an zu zittern.
    »Die Tür des Gerechten«, sagte die Gestalt schließlich auf Portugiesisch, »steht ehrlichen Besuchern jederzeit offen. Doch nun kommt rasch herein, damit nicht das ganze fliegende Nachtgetier hereinschwärmt.«
    Sie folgten der Gestalt durch die Tür, die sich lautlos hinter ihnen schloss. Die Erscheinung führte sie durch einen kurzen, von einer schwachen Öllampe erhellten Korridor in einen großen achteckigen Saal, in dessen Mitte sich ein Podium befand. Auf diesem Podium stand ein seltsamer metallener Dreifuß. Die Gestalt stieg auf den Dreifuß und setzte sich mit überkreuzten Beinen nieder.
    Der Saal wurde von mehreren Lampen erhellt. Die Wände waren mit verwitterten Reliefs verziert. Obwohl der Zahn der Zeit die Konturen ihrer Schärfe beraubt hatte, konnte man noch deutlich erkennen, dass es sich um die Illustration der Liebesabenteuer irgendeiner Gottheit handelte. Althea, die spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, sah, dass Bahr vollkommen in der Betrachtung dieser Kunstwerke versunken war.
    Obwohl sie fühlte, dass ihr das Herz bis zum Hals klopfte, gab sie sich einen Ruck und fragte: »Sind Sie die Jungfrau von Zesh?«
    »Der Name eines Dings ist das, was die Menschen für gewöhnlich dem Ding zuweisen, gleichgültig, ob es zutrifft oder nicht.«
    Ein wenig verblüfft entschied Althea, dass diese orakelhafte Antwort soviel wie ›Ja‹ bedeutete. »Wir sind drei Neuankömmlinge im Elysium«, sagte sie mit immer noch leicht zitternder Stimme zu der Gestalt auf dem Dreifuß. »Ein Mitglied der Sekte und zwei Nichtmitglieder. Wir haben eine interessante Nachricht für die Záva.«
    »Eine Nachricht beurteilt man nach ihrem Wahrheitsgehalt, ihrer Aktualität und ihrer Tragweite, nicht nach ihrer Quelle.«
    In holprigem Portugiesisch erzählte Althea ihr von ihrem Erlebnis mit dem lüsternen Matrosen auf Memzadás Schiff. Als sie fertig war, sagte die vermummte Gestalt: »Eine Neuigkeit ist wie eine Frucht: Sie verdirbt, wenn man sie zu lange mit sich trägt.« Sie machte Anstalten, von dem Dreifuß herunterzusteigen.
    »Verzeihen Sie, Senhora«, sagte Bahr hastig, »aber könnten Sie vielleicht Ihrem Häuptling Yuruzh ausrichten, dass ich, Doktor Gottfried Bahr, Ordentlicher Professor an der Universität von Jena, ihn gern einmal sprechen würde?«
    »Keine Zeit«, erwiderte die Jungfrau barsch. »Und jetzt aus dem Weg, Terraner!«
    Sie huschte durch einen der Türbögen und verschwand. Althea hörte noch, wie sie eine Treppe hinaufstieg. Gleich darauf verhallten ihre Schritte. Althea und ihre beiden Gefährten blieben noch eine Weile wartend stehen, doch nichts passierte.
    »Brrr!« sagte Kirwan schaudernd. »Lasst uns schnell von hier verschwinden. Ich kriege langsam eine Gänsehaut.«
    »Atavistische Ängste«, kommentierte Bahr trocken. »Doch da es ohnehin nicht so aussieht, als könnten wir hier noch irgend etwas erreichen, bin ich nicht abgeneigt, deinem Vorschlag zuzustimmen.«
    Sie verließen den Tempel auf demselben Weg, auf dem sie gekommen waren. Draußen angekommen, warf Althea noch einmal einen Blick zurück auf den

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