Die Jury
mit einem durchdringenden Blick. »Bitte schreien Sie nicht so. Natürlich werden Sie Einspruch erheben. Sie weisen alle Anträge der Verteidigung zurück – das ist Ihr Job. Verzichten Sie auf weitere Unterbrechungen bei dieser Anhörung. Sie bekommen später Gelegenheit, vor den Medien Eindruck zu schinden.«
Buckley sank auf seinen Stuhl und verbarg das rot angelaufene Gesicht. Noose hatte ihn noch nie zuvor auf diese Weise ermahnt.
»Fahren Sie fort, Mr. Brigance.«
Ichabods Strenge erstaunte Jake. Der Richter wirkte müde und krank. Vielleicht lag es am Streß.
»Möglicherweise erheben wir schriftlichen Einspruch gegen antizipiertes Beweismaterial.«
»In limine -Anträge?«
»Ja, Sir.«
»Darum kümmern wir uns während des Prozesses. Sonst noch etwas?«
»Nein, derzeit nicht.«
»Nun, Mr. Buckley, hat die Staatsanwaltschaft vor, irgendwelche Anträge zu stellen?«
»Nein, Sir«, sagte Rufus artig.
»Gut. Ich möchte sicher sein, daß es bis zum Beginn des Verfahrens keine Überraschungen gibt. Eine Woche vor dem Prozeß werde ich hier sein, um alle notwendigen Dinge zu regeln. Ich erwarte von Anklage und Verteidigung, ihre Anträge rechtzeitig einzureichen, so daß vor dem zweiundzwanzigsten Juli über sie entschieden werden kann.«
Noose blätterte in seinen Unterlagen und las Brigances Antrag auf Verlegung des Verhandlungsortes. Jake flüsterte mit Carl Lee. Bei einer solchen Anhörung brauchte der Angeklagte nicht vor Gericht zu erscheinen, aber er hatte darauf bestanden. Gwen und die drei Jungen saßen in der ersten Reihe hinter ihm. Tonya war nicht zugegen.
»Mit Ihrem Antrag scheint alles in Ordnung zu sein, Mr. Brigance. Wie viele Zeugen wollen Sie aufrufen?«
»Drei, Euer Ehren?«
»Und Sie, Mr. Buckley?«
»Einundzwanzig«, verkündete der Bezirksstaatsanwalt stolz.
»Einundzwanzig!« platzte es aus dem Richter heraus.
Buckley duckte sich unwillkürlich und sah Musgrove an. »Aber wahrscheinlich brauchen wir sie nicht alle. Ich bin sogar ziemlich sicher, daß nicht alle von ihnen aussagen werden.«
»Beschränken Sie sich auf die fünf wichtigsten, Mr. Buckley. Ich habe nicht vor, den ganzen Tag hier im Gerichtssaal zu verbringen.«
»Ja, Euer Ehren.«
»Mr. Brigance, Sie wünschen eine Verlegung des Verhandlungsortes. Bitte erläutern Sie den Antrag.«
Jake stand auf und schritt langsam durch den Saal. Er ging an Buckley vorbei und trat zum Podium vor der Geschworenenbank. »Wenn Sie gestatten, Euer Ehren... Mr. Hailey bittet darum, daß der Prozeß gegen ihn nicht im Ford County stattfindet. Aus gutem Grund: Wegen der großen Publicity ist hier kein faires Verfahren möglich. Die Bürger dieser County haben bereits über Schuld oder Unschuld Carl Lee Haileys entschieden. Man legt ihm zur Last, zwei Männer erschossen zu haben, die hier geboren wurden, deren Familien hier leben. Bis vor kurzer Zeit war Mr. Hailey nur wenigen Personen bekannt, doch jetzt hat jeder seinen Namen gehört. Alle wissen von ihm, von seiner Familie, von der vergewaltigten Tochter. Alle kennen die Details des angeblich von ihm verübten Verbrechens. In Ford County ist es unmöglich, zwölf Personen zu finden, die sich in diesem Fall nicht längst eine Meinung gebildet haben. Daher sollte der Verhandlungsort in einen anderen Teil des Staates verlegt werden, wo die Leute mit den Fakten nicht so vertraut sind.«
»Was schlagen Sie vor?« fragte der Richter.
»Ich empfehle keine bestimmte County, aber eine möglichst große Entfernung erscheint mir angemessen. Vielleicht die Golfküste.«
»Warum?«
»Weil sie mehr als sechshundert Kilometer entfernt ist. Ich bin sicher, dort unten kennt man den Fall nicht so gut wie hier.«
»Glauben Sie, im Süden von Mississippi hat man nichts darüber gehört?«
»Das nicht, Euer Ehren. Aber ich bezweifle, ob die Bürger im südlichen Mississippi voreingenommen sind.«
»Dort gibt es auch Fernsehen und Zeitungen, nicht wahr, Mr. Brigance?«
»Ja, Sir.«
»Halten Sie es für möglich, in irgendeiner County dieses Staates zwölf Personen zu finden, denen die Einzelheiten dieses Falles unbekannt sind?«
Jake blickte auf seinen Block und hörte, wie hinter ihm die Stifte der Zeichner übers Papier kratzten. Aus den Augenwinkeln sah er das süffisante Lächeln des Staatsanwalts. »Es wäre schwierig«, sagte er leise.
»Rufen Sie Ihren ersten Zeugen auf.«
Harry Rex Vonner wurde vereidigt und nahm Platz. Der Holzstuhl knirschte und knackte unter seinem schweren
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