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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Leuten aus dem Norden galt. Mit weißen Säulen und schwarzen Fensterläden strahlte es erhabene Würde aus. Die ursprünglich roten Ziegelsteine glänzten nun weiß; alle vier Jahre fügten die Pfadfinder während ihres traditionellen Sommerprojekts eine neue Schicht schimmernder Glasur hinzu. Mehrere öffentliche Schuldverschreibungen hatten den einen oder anderen Anbau beziehungsweise Renovierungen erlaubt. Der Rasen vor dem Gericht war tadellos gepflegt; eine Gruppe aus dem Gefängnis mähte ihn zweimal pro Woche.
    In Clanton gab es drei Cafés – zwei für Weiße und eins für Schwarze –, und alle drei befanden sich am Rand des Platzes. Für Weiße war es weder verboten noch ungewöhnlich, bei Claude zu essen, dem Schwarzentreff an der westlichen Seite. Und niemand hinderte Schwarze daran, den Teashop am südlichen oder das Café an der Washington Street zu besuchen. Aber sie verzichteten darauf, seit man ihnen in den siebziger Jahren gesagt hatte, sie seien dazu berechtigt. Am Freitag aß Jake Gegrilltes bei Claude, wie die meisten weißen Liberalen in Clanton. Doch um sechs Uhr morgens saß er immer im Café.
    Er parkte den Saab vor seinem Büro an der Washington Street und ging zu Fuß zu dem kleinen Restaurant. Es war bereits seit einer Stunde offen, und jetzt herrschte dort rege Aktivität. Kellnerinnen eilten umher, servierten Kaffee und Frühstück und plauderten mit den Stammgästen: Farmern, Mechanikern und Deputys. Manager verirrten sich nur selten hierher; sie trafen sich später am Morgen im Teashop auf der anderen Seite des Platzes und sprachen dort über Innenpolitik, Tennis, Golf und die Börse. Im Café drehten sich die Gespräche um Kommunalpolitik, Football und Angeln. Jake gehörte zu den wenigen White Collars (4) , die man hier duldete. Die Arbeiter mochten und respektierten ihn. Viele von ihnen hatten bei Testamenten, Übertragungsurkunden, Scheidungen, Prozessen und dergleichen seine Dienste in Anspruch genommen. Manchmal zogen sie ihn mit derben Anwaltswitzen auf, aber das ließ er über sich ergehen. Während des Frühstücks bat man ihn häufig, Entscheidungen des Obersten Gerichts und andere juristische Seltsamkeiten zu erklären, und er verteilte großzügig kostenlosen Rat. Jake verstand es, bei seinen Erläuterungen das Nebensächliche zu überspringen und sofort zum Kern der Sache zu kommen; das wußten seine Zuhörer zu schätzen. Sie waren nicht immer einer Meinung mit ihm, aber sie erhielten ehrliche Antworten. Gelegentlich kam es zu verbalen Auseinandersetzungen, doch nie fühlte sich jemand beleidigt.
    Um sechs trat er ein und brauchte fünf Minuten, um die übrigen Anwesenden zu begrüßen, Hände zu schütteln und auf Rücken zu klopfen. Schließlich nahm er Platz und ließ sich von Dell Kaffee, Toast, Marmelade und Grütze bringen. Die Kellnerin strich ihm über die Hand, nannte ihn Schatz und Liebling und machte wie immer viel Aufhebens um ihn. Andere Gäste meckerte sie an, aber Jake begegnete sie mit besonderer Freundlichkeit.
    Er frühstückte mit Tim Nunley, einem Mechaniker von der Chevrolet-Vertretung im Ort, sowie den Brüdern Bill und Bert West, die in der Schuhfabrik nördlich von Clanton arbeiteten. Die Grütze würzte er mit drei Tropfen Tabasco, rührte Butter hinein und strich hausgemachte Erdbeermarmelade auf den Toast. Nach diesen Vorbereitungen trank er einen Schluck Kaffee und begann zu essen. Eine Zeitlang unterhielten sie sich darüber, wann und wo man die besten Süßwasserbarsche fangen konnte.
    Zwei Meter von Jakes Tisch entfernt, in einer Nische am Fenster, saßen drei Deputys. Der größere von ihnen, Marshall Prather, drehte sich um und fragte laut: »He, Jake, Sie haben Billy Ray Cobb doch vor einigen Jahren verteidigt, nicht wahr?«
    Von einer Sekunde zur anderen war es still im Café, und alle Blicke richteten sich auf den Anwalt. Brigance schluckte Grütze hinunter. Die Frage überraschte ihn nicht sonderlich, wohl aber die von ihr verursachte Reaktion.
    »Billy Ray Cobb...«, wiederholte er und wählte seine Worte mit großer Sorgfalt. »Um was ging es dabei?«
    »Um Rauschgift«, sagte Prather. »Vor vier Jahren wurde er dabei erwischt, mit Drogen zu handeln. Der Bursche saß seine Strafe in Parchman ab und kam im letzten Jahr raus.«
    Jake entsann sich daran. »Nein, ich habe ihn nicht verteidigt. Ich glaube, er hatte einen Anwalt aus Memphis.«
    Prather nickte zufrieden und wandte sich wieder seinen Pfannkuchen zu. Brigance

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