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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Bewährung entlassen zu werden. Sieben für die Vergewaltigung, drei für die Entführung und noch einmal drei für die schwere Körperverletzung. Vorausgesetzt natürlich, man verurteilt sie in allen Anklagepunkten zur Höchststrafe.«
    »Und Cobb? Er hat ein Vorstrafenregister.«
    »Aber er gilt nur dann als Gewohnheitsverbrecher, wenn er schon zweimal verurteilt wurde.«
    »Dreizehn Jahre«, wiederholte Looney und schüttelte den Kopf.
    Jake starrte aus dem Fenster. Der Platz erwachte allmählich zum Leben, als Lieferwagen mit Obst und Gemüse an den Bürgersteigen parkten. Alte Farmer in verblichenen Overalls rückten Körbe mit Tomaten, Gurken und Kürbissen auf Motorhauben und Ladeflächen zurecht. Wassermelonen aus Florida wurden neben staubige Reifen gelegt. Dann versammelten sich die Bauern am Vietnam-Denkmal, saßen auf Bänken, kauten Redman, schnitzten und plauderten miteinander. Vermutlich reden sie über die Vergewaltigung, dachte Jake. Es war jetzt hell draußen, und das Büro wartete auf ihn. Die Deputys beendeten ihr Frühstück, und Jake verabschiedete sich von ihnen. Er umarmte Dell, bezahlte die Rechnung und überlegte einige Sekunden lang, ob er heimfahren und nach Hanna sehen sollte.
    Um drei Minuten vor sieben schloß er die Bürotür auf und schaltete das Licht ein.
    Es fiel Carl Lee schwer, auf der Couch im Wartezimmer zu schlafen. Tonya ging es noch immer sehr schlecht, aber sie schwebte nun nicht mehr in unmittelbarer Lebensgefahr. Gegen Mitternacht durften die Eltern zu ihr – nachdem der Arzt darauf hingewiesen hatte, daß sie keinen angenehmen Anblick bieten würde. Gwen küßte das verbundene Gesicht, und Carl Lee stand reglos am Fußende des Bettes. Stumm starrte er auf die zierliche Gestalt; Schläuche und Kabel verbanden seine Tochter mit mehreren Geräten. Gwen bekam später ein Beruhigungsmittel, und man fuhr sie zu ihrer Mutter in Clanton. Die Jungen kehrten mit Gwens Bruder nach Hause zurück.
    Die Verwandten brachen auf, und um ein Uhr war der Vater allein im Wartezimmer. Um zwei brachte Ozzie Kaffee und Pfannkuchen; er erzählte Carl Lee alles, was er über Cobb und Willard wußte.
    Jakes Büro befand sich in einem von mehreren zweistöckigen Gebäuden am nördlichen Rand des Platzes, nicht weit vom Café entfernt. Die Familie Wilbanks hatte das Haus um 1890 gebaut, als ihr noch ganz Ford County gehörte. Dort praktizierte dann immer ein Anwalt namens Wilbanks, bis 1979, dem Jahr des Lizenzentzugs. Nebenan arbeitete ein Versicherungsagent, den Jake einmal verklagt hatte, weil er sich weigerte, einen vom Chevrolet-Mechaniker Tim Nunley gemeldeten Schaden zu ersetzen. Der zweite Nachbar war die Bank, von der das Darlehen für den Saab stammte. Alle Gebäude am Platz ragten zwei Stockwerke hoch empor – bis auf zwei Banken. Jene neben Jakes Praxis hatte auch nur zwei Etagen und war ebenfalls von den Wilbanks gebaut worden, doch die an der südöstlichen Ecke des Platzes verfügte über drei Geschosse und die neueste an der südwestlichen Seite über vier.
    Seit 1979 arbeitete Jake allein. Er gefiel sich in der Rolle des juristischen Einzelgängers, und außerdem kannte er keinen anderen Anwalt in Clanton, der kompetent genug gewesen wäre, um als Partner für ihn in Frage zu kommen. Es gab einige gute Rechtsanwälte in der Stadt, aber die meisten von ihnen gehörten zur Sullivan-Kanzlei, die ihre Büros in der Bank mit den vier Stockwerken hatte. Jake verabscheute sie. Alle seine Kollegen verachteten die Sullivan-Kanzlei; ihre eigenen Angestellten bildeten die einzige Ausnahme. Es waren insgesamt acht – acht aufgeblasene, eingebildete und arrogante Blödmänner. Sie rühmten sich ihres Harvard-Studiums und vertraten Großgrundbesitzer, Banken, Versicherungsgesellschaften, die Eisenbahn – und Leute mit viel Geld. Die übrigen vierzehn Anwälte in der County bekamen den Rest; ihr Rechtsbeistand galt lebenden, atmenden Menschen, die nur wenig bezahlen konnten. Gelegentlich bezeichnete man sie als »Straßenanwälte« – Juristen in den Schützengräben einer bitteren Realität, die Normalbürger in Schwierigkeiten brachte. Jake war stolz darauf, ein Straßenanwalt zu sein.
    Seine Praxis bestand aus zehn Räumen, von denen er nur fünf benutzte. Das Erdgeschoß enthielt ein Empfangszimmer, einen Konferenzsaal, eine Küche und eine kleine Abstellkammer. Jake arbeitete in einem großen Raum des ersten Stocks, neben einem kleineren, dem sogenannten »Kriegszimmer« – dort

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