Die Jury
schwieg er sich aus. Am Donnerstag soll eine Demonstration stattfinden.«
»Der Klan will demonstrieren?«
»Ja. Die NAACP versammelt sich morgen vor dem Gerichtsgebäude, und dann marschieren die Schwarzen. Für den Donnerstag hat der Klan eine friedliche Demonstration angekündigt.«
»Wie viele Leute nehmen daran teil?«
»Darüber gab Mickymaus leider nicht Auskunft. Wie ich schon sagte: Er nannte keine Einzelheiten.«
»Der Klan demonstriert in Clanton? Ich kann es kaum glauben.«
»Probleme kündigen sich an«, kommentierte Ellen. »Jede Menge Probleme«, bestätigte Ozzie. »Ich habe den Gouverneur gebeten, die Highway Patrol in Bereitschaft zu halten. Uns könnte eine ziemlich hektische Woche bevorstehen«
»Und Noose will den Fall hier in dieser Stadt verhandeln.«
Jake schüttelte fassungslos den Kopf.
»Der Prozeß ist viel zu wichtig, um ihn woanders stattfinden zu lassen. Ganz gleich, wo Carl Lee vor Gericht gestellt wird: Es würde überall zu Protestmärschen und Demonstrationen des Klans kommen.«
»Vielleicht haben Sie recht. Was ist mit Ihrer Kopie der Geschworenenliste?«
»Ich gebe sie Ihnen morgen zurück.«
Nach dem Abendessen am Dienstag saß Joe Frank Perryman auf der Veranda, las Zeitung, kaute Redman und spuckte durch ein Loch im hölzernen Boden – das übliche Ritual. Lela wusch das Geschirr ab. Später würde sie eine Karaffe mit Eistee vorbereiten und sich zu ihm setzen, und dann sprachen sie über Ernte, Enkelkinder und die Hitze. Sie wohnten außerhalb von Karaway auf achtzig Morgen gut kultiviertem Ackerland, das Joe Franks Vater während der Weltwirtschaftskrise irgendwie in seinen Besitz gebracht hatte. Sie führten ein zurückgezogenes Leben und galten als hart arbeitende Christen.
Nachdem Perryman einige Male durchs Loch gespuckt hatte, bog ein Pickup vom Highway ab und rollte über die lange Kieszufahrt. Der Wagen hielt neben dem Rasen an, und ein Bekannter stieg aus: Will Tierce, früher Vorsitzender des Kreisverwaltungsvorstands von Ford County. Will hatte dieses Amt vierundzwanzig Jahre lang ausgeübt und wurde sechsmal hintereinander wiedergewählt, doch bei den letzten Wahlen fehlten ihm sieben Stimmen. Die Perrymans hatten Tierce immer unterstützt, weil er ihnen gelegentlich Kies brachte oder sich um den Abwasserkanal an der Zufahrt kümmerte. »Guten Abend, Will«, sagte Joe Frank, als der ehemalige Vorsitzende über den Rasen ging und die Treppe hochstieg. »Guten Abend.« Sie schüttelten sich die Hände und saßen auf der Veranda.
»Geben Sie mir ein Stück zum Kauen?« fragte Tierce. »Klar. Was führt Sie hierher?«
»Kam nur vorbei, dachte an Lelas Eistee und wurde durstig. Wir haben uns schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gesehen.«
Sie plauderten, kauten, spuckten und tranken Eistee, bis das letzte Licht des Tages der Nacht wich und Moskitos schwirrten.
Ihre Gespräche drehten sich in erster Linie um die Dürre, und Joe Frank meinte, so schlimm sei es seit zehn Jahren nicht mehr gewesen. Nach der dritten Woche im Juni war kein einziger Tropfen Regen mehr gefallen. Wenn es so weiterging, konnte er die Baumwollernte vergessen. Die Bohnen hielten vielleicht durch, doch er machte sich große Sorgen, was die Baumwolle betraf.
»Übrigens, Joe Frank: Wie ich hörte, haben Sie eine Geschworenenvorladung für den Prozeß in der nächsten Woche erhalten.«
»Leider ja. Woher wissen Sie das?«
»Keine Ahnung. Hab's irgendwo aufgeschnappt.«
»Es überrascht mich, daß es schon bekanntgeworden ist.«
»Nun, wahrscheinlich habe ich es heute in Clanton gehört. Ich hatte im Gericht zu tun. Ja, dort sprach man darüber. Es handelt sich um den Nigger-Prozeß.«
»Dachte ich mir.«
»Was halten Sie davon, daß der Nigger einfach so zwei Männer erschoß?«
»Ich kann ihm deshalb keinen Vorwurf machen«, sagte Lela. »Ja, aber man darf das Gesetz nicht selbst in die Hand nehmen«, wandte sich Joe Frank an seine Frau. »Es ist die Aufgabe der Justiz, für Gerechtigkeit zu sorgen.«
»Mich beunruhigt vor allen Dingen der Unsinn über Unzurechnungsfähigkeit«, sagte Tierce. »Die Verteidigung behauptet bestimmt, daß der Nigger übergeschnappt war; auf diese Weise will sie einen Freispruch erreichen. Wie bei dem Mistkerl, der auf Reagan schoß. Ich finde das nicht richtig. Außerdem ist es eine Lüge. Der Nigger hat geplant, die Jungs umzulegen; er versteckte sich und wartete auf sie. Es war kaltblütiger Mord.«
»Und wenn man Ihre Tochter
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