Die Jury
Republikaner.«
»Hören Sie, Lucien – Sie können über meine Frau sprechen, über meine Mutter oder meine Vorfahren. Aber bezeichnen Sie mich nicht als Republikaner.«
»Sie sehen wie ein Republikaner aus«, ließ sich Ellen vernehmen.
»Sieht er wie ein Demokrat aus?« Jake deutete auf Lucien.
»Natürlich. Ich wußte sofort, daß er Demokrat ist. Ein Blick genügte mir.«
»Dann bin ich tatsächlich Republikaner.«
»Na bitte!« triumphierte Lucien. Er ließ sein Glas fallen, und es zersplitterte auf dem Boden.
»Sallie!« Und: »Row Ark, raten Sie mal, wer der dritte Weiße in Mississippi war, der die NAACP-Mitgliedschaft beantragte.«
»Rufus Buckley«, brummte Jake.
»Ich. Lucien Wilbanks. Trat dem Verein 1967 bei. Die Weißen glaubten, ich hätte den Verstand verloren.«
»Na so was«, spottete Jake.
»Die Schwarzen – beziehungsweise Neger, wie wir sie damals nannten – hielten mich ebenfalls für übergeschnappt. Himmel, damals glaubten alle, ich sei reif für die Klapsmühle.«
»Haben die Leute jemals ihre Meinung geändert?« fragte Jake.
»Seien Sie still, Republikaner. Row Ark, wie wär's, wenn Sie sich in Clanton niederließen? Dann eröffnen wir eine Anwaltspraxis und verhandeln Fälle, die uns interessieren. Bringen Sie Ihren Vater mit; wir machen ihn zu unserem Seniorpartner.«
»Warum ziehen Sie nicht nach Boston um?« schlug Jake vor.
»Warum scheren Sie sich nicht zum Teufel?«
»Und wie nennen wir unsere Kanzlei?« erkundigte sich Ellen. »Irrenhaus«, sagte Brigance.
»Wilbanks, Row und Ark. Rechtsanwälte.«
»Allerdings ohne Lizenz«, warf Jake ein.
Luciens Lider schienen jeweils mehrere Pfund zu wiegen, und sein Kopf kippte immer wieder nach vorn. Er schlug Sallie auf den Po, als sie sich bückte, um die Reste des zerbrochenen Glases aufzuheben.
»Das war gemein, Jake«, sagte er ernst. Brigance versuchte, Luciens Tonfall nachzuahmen. »Row Ark, raten Sie mal, wer als letzter hiesiger Anwalt vom obersten Gericht in Mississippi aus der Advokatur verstoßen wurde?«
Ellen sah beide Männer an, lächelte und verzichtete auf eine Antwort.
»Row Ark«, sagte Lucien laut, »raten Sie mal, wer als letzter hiesiger Anwalt aus seinem Büro vertrieben wurde?« Er lachte schallend und schüttelte sich. Jake zwinkerte seiner Assistentin zu.
Nach einer Weile beruhigte sich Wilbanks wieder. »Worum geht es beim Treffen mo rgen abend?«
»Ich möchte die Geschworenenliste mit Ihnen und einigen anderen durchgehen.«
»Wer nimmt außer uns an der Besprechung teil?«
»Harry Rex, Atcavage und vielleicht noch jemand anders.«
»Und wo findet sie statt?«
»Um acht Uhr in meiner Praxis. Ohne Alkohol.«
»Es ist mein Büro, und ich bringe eine Kiste Whisky mit wenn ich will. Mein Großvater baute das Haus, erinnern Sie sich?«
»Wie könnte ich es vergessen?«
»Lassen Sie uns zusammen trinken, Row Ark.«
»Nein, danke, Lucien. Es war ein leckeres Essen, und es gefällt mir hier bei Ihnen, aber ich muß jetzt nach Oxford zurück.«
Sie standen auf, und Ellen verließ das Haus. Jake lehnte die übliche Einladung ab, mit Wilbanks auf der Veranda zu sitzen, und zog sich statt dessen in sein Zimmer zurück. Er hatte Carla versprochen, nicht zu Hause zu schlafen, telefonierte mit ihr und erfuhr, daß es Frau und Tochter gut ging. Sie waren nur besorgt. Jake erzählte nichts von Bud Twitty.
29
G egen dreizehn Uhr am Mittwoch rollte ein Konvoi aus umgebauten Bussen durch Clanton. Es waren insgesamt einunddreißig – weiß, rot, grün, schwarz oder mit vielen Kombinationen dieser Farben lackiert; unter den Fenstern zeigten sich die Namen verschiedener Kirchen. Ältere Schwarze saßen darin und versuchten vergeblich, sich mit Papierfächern und Taschentüchern vor der drückenden Hitze zu schützen. Dreimal fuhren die Busse ums Gerichtsgebäude und hielten dann am Postamt. Einunddreißig Türen öffneten sich, und die Insassen stiegen hastig aus. Sie stapften zu einem Podium auf dem Gerichtsrasen, wo Bischof Ollie Agee Anweisungen rief und blauweiße Schilder mit der Aufschrift FREIHEIT FÜR CARL LEE verteilte.
In den zum Platz führenden Straßen entstanden Staus, als aus allen Richtungen Autos kamen. Hunderte von Fahrern hupten zunächst, ließen ihre Wagen schließlich einfach stehen und setzten den Weg zu Fuß fort. Sie drängten zum Podium, nahmen Schilder in Empfang, wanderten im Schatten der Eichen und Magnolien umher und begrüßten Freunde. Weitere Kirchenbusse trafen
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