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Die Jury

Titel: Die Jury Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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waren und was sie angerichtet hatten. Man stellte die Staffeleien mit den Anatomiekarten direkt vor der Geschworenenbank auf, und der Sachverständige nahm kleine, numerierte Plastikstäbchen, die Kugeln symbolisierten, und bewegte sie langsam über die Darstellungen. Vierzehn Stäbchen für Cobb und elf für Willard. Ab und zu stellte Buckley eine Frage oder unterbrach den Vortrag des Arztes, um einen bestimmten Punkt zu verdeutlichen.
    Nach jeweils dreißig Minuten seufzte Jake und sagte: »Euer Ehren, die Verteidigung streitet keineswegs ab, daß die beiden Opfer Schußverletzungen erlagen.«
    »Die Staatsanwaltschaft möchte es aber beweisen«, antwortete Buckley scharf und griff nach der nächsten symbolischen Kugel.
    Jake ließ sich wieder auf seinen Stuhl sinken, schüttelte den Kopf und beobachtete jene Geschworenen, die noch wach waren.
    Der Pathologe beendete seine Aussage um zwölf, und der müde, gelangweilte Noose ordnete eine zweistündige Mittagspause an. Der Gerichtsdiener weckte die Jurymitglieder und führte sie in ein Zimmer, wo sie Gegrilltes auf Kunststofftellern verspeisten und Karten spielten. Sie durften das Gerichtsgebäude nicht verlassen.
    In jeder kleinen Stadt im Süden der USA gibt es einen Jungen, der nur ans Geldverdienen denkt. Als Fünfjähriger baut er seinen ersten Limonadenstand an der Straße auf und verlangt fünfundzwanzig Cent für einen kleinen Becher mit aromatisiertem Wasser. Er weiß, daß es scheußlich schmeckt, aber er weiß auch, daß ihn die Erwachsenen für süß halten. Er ist der erste Junge weit und breit, der einen Rasenmäher auf Kredit kauft und schon im Februar Aufträge für den Sommer sammelt. Er ist der erste Junge, der sein Fahrrad selbst bezahlt und es benutzt, um morgens und nachmittags Zeitungen auszufahren. Im August verkauft er alten Frauen Weihnachtskarten. Im November trägt er Obstkuchen von Tür zu Tür. Am Samstagmorgen, wenn seine Freunde vor dem Fernseher hocken und sich Zeichentrickfilme ansehen, besucht er den Flohmarkt auf dem Platz und bringt dort geröstete Erdnüsse und Maiskolben unter die Leute. Als Zwölfjähriger richtet er sein erstes Bankkonto ein. Als Fünfzehnjähriger bezahlt er seinen neuen Pickup in bar, nur einen Tag nach der bestandenen Führerscheinprüfung. Er besorgt sich einen Anhänger und füllte ihn mit Gartengeräten. Bei Football-Spielen auf dem Sportplatz der High-School verkauft er T-Shirts. Er ist ein Arbeitstier, ein angehender Millionär.
    In Clanton hieß dieser Junge Hinky Myrick und hatte gerade seinen sechzehnten Geburtstag hinter sich. Nervös wartete er in der Rotunde, und als die Mittagspause begann, eilte er an den Deputys vorbei in den Saal. Die Sitzplätze waren so kostbar, daß es kaum ein Zuschauer wagte, zum Mittagessen nach Hause zurückzukehren. Einige standen auf, warfen finstere Blicke in alle Richtungen und deuteten auf ihre Bank, um auch weiterhin Anspruch auf den Platz zu erheben, und zwar für den Rest des Verhandlungstages. Erst dann gingen sie zur Toilette. Aber die meisten mieden jedes Risiko, blieben sitzen und ertrugen mühsam die ihrer Meinung nach viel zu lange Pause.
    Hinky hatte einen speziellen Spürsinn für gute Gelegenheiten entwickelt. Er witterte Bedürfnisse, die es zu befriedigen galt. Am Donnerstag – so wie auch am Mittwoch – rollte er seinen mit verschiedenen Brötchen und Komplettmahlzeiten in Styroporbehältern gefüllten Verkaufswagen durch den Mittelgang, bis zum Geländer. Von dort aus begann er damit, die Waren zu verteilen. Er verlangte regelrechte Wucherpreise. Ein Thunfischsalat mit Weißbrot kostete den Kunden zwei Dollar, und ihn nur achtzig Cent. Für einen Teller mit kaltem Hühnerfleisch und einigen Erbsen mußte man ihm drei Dollar in die Hand drücken. Sein Verdienst: ein Dollar fünfundsiebzig. Eine Dose mit Fruchtsaft oder Cola war nicht unter eins fünfzig zu haben. Aber die Zuschauer zahlten die hohen Preise bereitwillig, froh darüber, ihre Plätze zu behalten. Hinkys Wagen leerte sich, noch bevor er die vierte Reihe erreicht hatte, und er nahm Bestellungen aus dem Rest des Gerichtssaals entgegen. Der sechzehnjährige Myrick war der Mann der Stunde.
    Hastig verließ er das Gerichtsgebäude, lief über den Rasen, bahnte sich einen Weg durch die Menge der Schwarzen, überquerte die Caffey Street und betrat Claudes Restaurant. In der Küche reichte er dem Koch einen Zwanzig-Dollar-Schein und die Bestellungen. Er wartete und sah immer wieder auf die

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