Die Jury
sein?«
»Ja, mit einer Weißen.«
»Einer Weißen! Warum ausgerechnet eine Weiße?«
»Sie kennen Lester. Wollte immer hoch hinaus. Er ist jetzt hierher unterwegs. Wir erwarten ihn am späten Abend.«
»Wozu?«
Sie blieben an der Hintertür stehen. »Warum kommt Lester hierher?« wiederholte Jake.
»Familiäre Angelegenheiten.«
»Haben Sie was vor?«
»Nein. Er möchte nur seine Nichte besuchen.«
»Bewahren Sie einen kühlen Kopf.«
»Das ist leicht gesagt, Jake.«
»Ich weiß.«
»Was würden Sie planen?«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie haben eine kleine Tochter. Angenommen, sie läge im Krankenhaus, zusammengeschlagen und vergewaltigt. Was würden Sie tun?«
Jake blickte durch das Sichtglas in der Tür und antwortete nicht. Tonyas Vater wartete.
»Stellen Sie nichts Dummes an, Carl Lee.«
»Beantworten Sie meine Frage. Was würden Sie tun?«
»Keine Ahnung. Himmel, ich weiß es nicht.«
»Angenommen, es hätte Ihr Mädchen erwischt, und die Schuldigen wären zwei Nigger, denen Sie es heimzahlen könnten. Was unternähmen Sie?«
»Ich würde sie töten.«
Carl Lee lächelte erst und lachte dann. »Da bin ich sicher, Jake. Ja, ganz sicher. Und dann würden Sie einen guten Anwalt mit Ihrer Verteidigung beauftragen, der behaupten müßte, Sie wären verrückt. So wie bei Lester.«
»Wir haben nicht behauptet, Lester sei verrückt. Wir wiesen einfach nur darauf hin, daß Bowie den Tod verdiente.«
»Aber es gelang Ihnen, einen Freispruch zu erwirken, oder?«
»Ja.«
Carl Lee ging zur Treppe und schaute nach oben. »Nehmen sie diesen Weg zum Gerichtssaal?« fragte er, ohne Jake anzusehen.
»Wer?«
»Die beiden Burschen.«
»Ja. Meistens werden die Angeklagten über diese Treppe nach oben geführt. Es ist schneller und sicherer. Der Streifenwagen parkt direkt vor der Tür, und dann bringt man die Gefangenen zum Gerichtssaal.«
Carl Lee wandte sich der Hintertür zu und starrte durchs Fenster zur Veranda. »Wie viele Mordprozesse hatten Sie, Jake?«
»Drei. Lester und zwei andere.«
»Wie viele Ihrer Mandanten waren schwarz?«
»Alle drei.«
»Wie viele Verfahren haben Sie gewonnen?«
»Alle drei.«
»Sie sind ziemlich gut, wenn's um Nigger-Schießereien geht, wie?«
»Ich glaube schon.«
»Wie wär's mit einem weiteren Prozeß dieser Art?«
»Davon rate ich Ihnen dringend ab, Carl Lee. Es ist die Sache nicht wert. Wenn man Sie zum Tod in der Gaskammer verurteilt... Was soll dann aus den Kindern werden? Wer kümmert sich um sie? Denken Sie an Ihre Familie.«
»Eben haben Sie mir gesagt, daß Sie die Mistkerle umbringen würden.«
Jake trat an Carl Lee heran. »Bei mir sähe der Fall ganz anders aus. Ich könnte damit rechnen, freigesprochen zu werden.«
»Wieso?«
»Ich bin Weißer, und dies ist eine weiße County. Mit ein wenig Glück bekäme ich eine Jury, die nur aus verständnisvollen Weißen besteht. Wir sind hier nicht in New York oder Kalifornien. Bei uns hat ein Mann das Recht, seine Familie zu verteidigen. Die Geschworenen wären kaum bereit, mich schuldig zu sprechen.«
»Und ich?«
»Wie ich schon sagte: Wir sind hier nicht in New York oder Kalifornien. Einige Weiße würden Sie bewundern, aber die meisten hätten keine Skrupel, Sie in die Gaskammer zu schicken. Unter solchen Umständen ist es viel schwieriger, einen Freispruch durchzusetzen.«
»Aber Sie könnten es, nicht wahr, Jake?«
»Seien Sie vernünftig, Carl Lee.«
»Mir bleibt nichts anderes übrig, Jake. Ich finde keine Ruhe, bis die verdammten Kerle tot sind. Ich bin es meiner Tochter schuldig, mir selbst und der Familie. Es muß geschehen.«
Sie öffneten die Tür und gingen unter der Veranda hinweg und über die Zufahrt. An der Washington Street schüttelten sie sich die Hände. Jake versprach, einen Abstecher zum Krankenhaus zu machen, um dort nach Gwen und den Kindern zu sehen.
»Bevor Sie gehen...«, sagte Carl Lee. »Besuchen Sie mich nach meiner Verhaftung im Gefängnis?«
Jake nickte, ohne nachzudenken. Tonyas Vater lächelte und stapfte zu seinem Lastwagen.
5
L ester Hailey hatte eine Frau schwedischer Abstammung aus Wisconsin geheiratet. Zwar behauptete sie noch immer, ihn zu lieben, aber er vermutete, daß der Reiz seiner Haut allmählich nachließ. Vor Mississippi hatte sie Angst, und daher weigerte sie sich, Lester zu begleiten – obgleich er ihr versicherte, daß überhaupt keine Gefahr drohte. Es kam häufig vor, daß sich Schwarze aus dem Süden im Norden niederließen und Weiße
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