Die Jury
oder?«
Jake schmunzelte, nickte und verschränkte die Arme. »Wie fühlen Sie sich?«
Carl Lee lehnte sich auf dem Klappstuhl zurück.
»Besser. Ich bedauere die Sache und wünschte, sie wäre nicht geschehen. Aber ich wünsche mir auch, daß mit meiner Tochter alles in Ordnung ist. Ich hatte nichts gegen die beiden Burschen bis sie Tonya vergewaltigten. Jetzt haben sie bekommen, was sie verdienen. Ihre Mütter und Väter tun mit leid – wenn sie überhaupt Väter haben, was ich bezweifle.«
»Fürchten Sie sich?«
»Wovor?«
»Zum Beispiel vor der Gaskammer.«
»Nein, Jake – deshalb bitte ich Sie ja um Hilfe. Ich habe keine Lust, in der Gaskammer zu enden. Es gelang Ihnen, einen Freispruch für Lester durchzusetzen. Jetzt bin ich dran. Sorgen Sie dafür, daß ich nach Hause zurückkehren kann.«
»So einfach ist das nicht, Carl Lee.«
»Warum nicht?«
»Sie haben den Mord kaltblütig geplant. Wenn Sie glauben, vor Gericht nur darauf hinweisen zu müssen, daß Cobb und Willard den Tod verdienten, um freigesprochen zu werden... Das wäre ein großer Irrtum.«
»Lester wurde für nicht schuldig befunden.«
»Aber jeder Fall ist anders. Hier besteht der große Unterschied darin, daß Sie zwei Weiße erschossen haben. Lester hat einen Nigger umgebracht.«
»Fürchten Sie sich, Jake?«
»Warum sollte ich mich fürchten? Die Gaskammer droht Ihnen.«
»Das klingt nicht sehr zuversichtlich.«
Du verdammter Narr, ging es Jake durch den Kopf. Wie konnte er jetzt zuversichtlich sein? Die Leichen waren noch warm. Sicher, vor dem Mord hatte er die Situation optimistisch beurteilt, aber jetzt sah er sie aus einer anderen Perspektive.
Seinem Klienten stand die Gaskammer für ein Verbrechen bevor, das er offen zugab.
»Von wem erhielten Sie die Waffe?«
»Von einem Freund in Memphis.«
»Na schön. Hat Ihnen Lester dabei geholfen?«
»Nein. Er wußte, was ich vorhatte, und er wollte mir dabei helfen, aber ich lehnte ab.«
»Wie hat Gwen reagiert?«
»Sie ist ziemlich außer sich. Mein Bruder bleibt bei ihr. Sie hatte keine Ahnung.«
»Und die Kinder?«
»Sie wissen ja, wie Kinder sind. Sie wollen nicht, daß ihr Vater im Gefängnis sitzt. Bestimmt verkraften es die Jungs irgendwie. Lester kümmert sich um sie.«
»Kehrt er nicht nach Chicago zurück?«
»Nicht sofort. Wann wird mein Fall verhandelt, Jake?«
»Die Voruntersuchung findet morgen oder am Mittwoch statt. Das hängt von Bullard ab.«
»Ist er der Richter?«
»Bei der ersten Verhandlung, ja. Aber nicht beim Prozeß. Der fällt in den Zuständigkeitsbereich des Bezirksgerichts.«
»Wie heißt der dortige Richter?«
»Omar Noose, aus der Van Buren County. Er hat auch Lesters Verfahren geleitet.«
»Er ist okay, stimmt's?«
»Ja. Ein guter Richter.«
»Wann beginnt der Prozeß?«
»Im späten Sommer oder frühen Herbst. Buckley hat es sicher eilig.«
»Buckley?«
»Rufus Buckley, der Bezirksstaatsanwalt. Damals hat er Lester angeklagt. Erinnern Sie sich an ihn? Groß und laut...«
»Ja, jetzt erinnere ich mich an ihn. Der große, böse Rufus Buckley. Hatte ihn ganz vergessen. Er ist ziemlich gemein, nicht wahr?«
»Er ist gut, verdammt gut. Platzt geradezu vor Ehrgeiz. Zweifellos freut er sich über diesen Fall. Wegen der Publicity.«
»Sie haben ihn geschlagen, oder?«
»Ja. Aber ich mußte auch einige Niederlagen hinnehmen.« Jake öffnete seinen Aktenkoffer und holte einen Hefter hervor, der einen Vertrag für Rechtsbeistand enthielt. Er las ihn vor, obwohl er den Text auswendig kannte. Sein Honorar basierte auf der Zahlungsfähigkeit des Klienten, und Schwarzen stand meistens nicht viel Geld zur Verfügung – es sei denn, sie hatten großzügige Verwandte mit einem guten Job in St. Louis oder Chicago. Das war nur selten der Fall. Lester hatte sich an einen Bruder gewandt, der in einem kalifornischen Postamt arbeitete, jedoch nicht helfen konnte oder wollte. Einige Schwestern mit eigenen Problemen boten nur moralische Unterstützung an. Auch Gwen hatte viele anständige Verwandte, doch in finanzieller Hinsicht ging es ihnen nicht sehr gut. Nur Carl Lee besaß einige Morgen Land und belieh sie schließlich, damit Lester den Anwalt bezahlen konnte.
Brigance bekam damals fünftausend Dollar für den Mordprozeß: die Hälfte vor dem Verfahren und den Rest in Raten über drei Jahre hinweg.
Jake verabscheute es, über das Honorar zu reden. Dieser Teil seiner Arbeit bereitete ihm erhebliches Unbehagen. Viele Mandanten wollten
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