Die Jury
setzt sich auch durch, wenn Sie verlieren. Ein sonderbarer Fall. Ist schon schade, daß ich ihn nicht habe.«
»Meinen Sie das ernst?«
»Und ob ich das ernst meine. Es ist der Traum eines jeden Anwalts. Wenn Sie gewinnen, sind Sie berühmt und die Nummer eins in diesem Teil des Landes. Dann wären Sie imstande, eine Menge Geld zu verdienen.«
»Ich brauche Ihre Hilfe.«
»Und die bekommen Sie auch. Dann habe ich wenigstens etwas zu tun.«
Nach dem Abendessen, als Hanna im Bett lag, erzählte Jake seiner Frau von den Anrufen im Büro. Während eines früheren Mordprozesses hatten sie schon einmal einen anonymen Anruf bekommen, doch er beschränkte sich auf leises Stöhnen und Keuchen. Diesmal war es anders. Die Unbekannten nannten Jakes Namen und drohten, sich an ihm und seiner Familie zu rächen, wenn Carl Lee freigesprochen würde.
»Bist du besorgt?« fragte Carla.
»Nicht sehr. Wahrscheinlich sind es irgendwelche Jugendliche, die sich einen makabren Scherz erlauben. Oder einige von Cobbs Freunden. Fürchtest du dich?«
»Es wäre mir lieber, wenn solche Anrufe ausblieben.«
»Sie betreffen nicht nur uns. Ozzie hat Hunderte entgegengenommen. Auch Bullard, Childers und die anderen. Nein, ich mache mir deshalb keine Sorgen.«
»Und wenn die Sache ernster wird?«
»Ich würde nie meine Familie deswegen in Gefahr bringen. Das ist die Sache nicht wert. Ich lege den Fall nieder, wenn ich glaube, daß mehr hinter den Drohungen steckt. Mein Ehrenwort.« Carla hob skeptisch die Brauen.
Lester holte nacheinander neun Hundert-Dollar-Scheine hervor und legte sie stolz auf den Schreibtisch.
»Das sind nur neunhundert«, stellte Jake fest. »Wir haben tausend vereinbart.«
»Gwen braucht Geld für Lebensmittel.«
»Sind Sie sicher, daß Lester kein Geld für Whisky braucht?«
»Ich bitte Sie, Jake! Sie wissen, daß es mir nie in den Sinn käme, meinen Bruder zu bestehlen.«
»Schon gut, schon gut. Wann geht Gwen zur Bank, um sich den Rest zu leihen?«
»Ich spreche gleich mit dem Direktor. Er heißt Atcavage, nicht wahr?«
»Ja. Stan Atcavage von der Security Bank nebenan. Ein guter Bekannter von mir. Er hat Carl Lee schon einmal einen Kredit gegeben, als Sie vor Gericht standen. Haben Sie die Übertragungsurkunde?«
»In meiner Tasche. Welchen Betrag wird er uns zur Verfügung stellen?«
»Keine Ahnung. Fragen Sie ihn.«
Lester ging, und zehn Minuten später rief Atcavage an.
»Ich kann diesen Leuten kein Geld leihen, Jake. Wenn Carl Lee verurteilt wird... Nehmen Sie es mir bitte nicht übel. Ich weiß, daß Sie ein guter Anwalt sind – meine Scheidung, erinnern Sie sich? –, aber wer zahlt den Kredit zurück, wenn Ihr Mandant in der Todeszelle sitzt?«
»Danke. Hören Sie, Stan: Wenn er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, gehören Ihnen zehn Morgen Land.«
»Mit einer Hütte drauf. Zehn Morgen Land mit Bäumen, Sträuchern und einem alten Haus. Genau das wünscht sich meine Frau. Was soll ich damit anfangen, Jake?«
»Es ist ein hübsches Haus, fast ohne Hypotheken.«
»Eine Hütte«, beharrte der Bankdirektor. »Nicht besonders groß und fast nichts wert.«
»Sie müßte zumindest etwas wert sein.«
»Ich will sie nicht, Jake. Die Bank will sie nicht.«
»Sie haben den Grundbesitz schon einmal als Sicherheit akzeptiert.«
»Aber damals saß nicht etwa Carl Lee im Gefängnis, sondern sein Bruder. Damals arbeitete Ihr Klient in der Papierfabrik. Ein guter Job, wissen Sie. Aber jetzt steht ihm eine Reise nach Parchman bevor.«
»Danke, Stan. Für Ihr Vertrauen.«
»Kommen Sie, Jake. Ich zweifle nicht an Ihren Fähigkeiten als Anwalt, aber allein deshalb kann ich kein Geld ausleihen. Wenn jemand in der Lage ist, einen Freispruch für Hailey zu erwirken, sind Sie das. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen Erfolg. Doch ich sehe mich außerstande, diesen Kredit zu genehmigen. Im Aufsichtsrat würde man mir das Fell über die Ohren ziehen.«
Lester versuchte es bei der Peoples Bank und in der Ford National – mit dem gleichen Ergebnis. Alle hofften, daß man seinen Bruder für nicht schuldig befände, aber wenn es zu einer Verurteilung käme...
Wundervoll, dachte Jake. Neunhundert Dollar für einen schwierigen Mordprozeß.
11
C laude hatte Speisekarten in seinem Lokal nie für nötig gehalten. Vor Jahren, als er seinen Laden eröffnet hatte, konnte er sich keine leisten, und jetzt brauchte er sie nicht mehr, weil die meisten Kunden wußten, was er servierte. Zum Frühstück bot er
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